„Es ist zu spät“, sagt die Sonne in Elfriede Jelineks Stück »Sonne/Luft«. Damit fasst sie das Thema des Abends ganz gut zusammen. Jelineks Werk unter der Regie von Sarah Kurze handelt von dem Irrglauben der Menschheit, sich der Natur überordnen zu können und deren Konsequenz: das Aussterben der Menschheit.
Der Monolog der Sonne ist unter den Schauspieler:innen Volker Muthmann, Moritz Schulze, Judith Strößenreuter, Andrea Strube und Tara Helena Weiß aufgeteilt. Sie alle tragen weiße Bademäntel, Handtuchturbane und Taucherbrillen und sehen von einer Erhöhung auf das Publikum herunter. Wie die Sonne stehen sie höher und erzählen von dort oben vom Ende der Welt.
Der Monolog der Sonne ist ironisch, anzüglich, voller Wortwitz, oft zynisch und nicht zuletzt verträumt. Die Sonne sieht mit Freude dabei zu, wie ihre heißen Strahlen die Körper der Menschen erst braun und schließlich schwarz färben und verbrennen. Wie ihre Hitze die Erde zum Kochen bringt und niemand überleben wird – auch sie selbst nicht. Ruhig erzählt sie so auch schließlich vom eigenen Untergang: erst wird sie gestaltlos, dann kalt, bis sie am Ende nicht mehr als ein Stein sein wird. Die Schauspieler:innen sehen dabei nachdenklich in die Ferne. Dem Publikum wird etwas mulmig zumute.
Im zweiten Teil des Stücks werden die Bademäntel gegen schwarze Kleider ausgetauscht. Auch das Bühnenbild ändert sich und verwandelt sich in einen verlassenen Freizeitpark. Neonbuchstaben zeigen einen Ticketstand und einen Tunnel of love. In großen Rotbuchstaben steht das Wort »Paradies« spiegelverkehrt über der Bühne. Ein umgedrehtes Paradies also. Das Bühnenbild von Janja Valjarević trifft die Stimmung des Textes hervorragend.
Es ist nun nicht mehr die Sonne, die monologisiert. Jetzt ist es die Umweltverschmutzung, die freudig im Wasser plantscht, dann die Luft, dann wieder etwas ganz anderes. Das Chaos nimmt zu, die Kostüme ändern sich wieder. Es entsteht Verwirrung und Unordnung. Auch die Stimmen der Figuren werden vielseitiger und durcheinander. Es zeigt dem Publikum die Welt aus der Sicht der Natur und vor allem ihren großen Wunsch nach Ruhe.
Die Vielstimmigkeit des Dialogs zeigt sich auch an dem Wechselspiel zwischen Poesie, philosophischen Einwürfen und aktueller Gesellschaftskritik. So sagen die Figuren zum Beispiel, dass Gott auch bloß Luft sei, sie erwähnen Greta Thunberg und den Ukraine Krieg, dann wiederum werden Geschichten aus antiker Mythologie erzählt. Die Entstehung der Erde durch das abgeschnittene Geschlecht Uranos‘ wird vermischt mit Kritik an der Hybris der Menschen. Dann wird ausführlich und detailliert eine Geburt beschrieben. Dabei essen die Figuren eine Wassermelone und lecken sich danach genüsslich und schmatzend die Finger ab. Es sind makabre und absurde Szenen, durch die es gelingt, das Publikum gleichzeitig zu erheitern und zu bestürzen.
Insgesamt bietet das Theaterstück einen beeindruckenden Gesamteindruck dar. Der bissige Text kommt durch das spielerische und mühelose Hin und Her zwischen den Schauspieler:innen besonders gut zur Geltung. Die wechselnden Figuren verwirren, erreichen aber damit ihr Ziel des beabsichtigten Durcheinanders, das entsteht. Besonders das Bühnenbild unterstreicht den Zynismus, der sich durch das gesamte Stück zieht und verbildlicht die Mischung aus Genugtuung der Natur über den Weltuntergang und die tiefe Trauer, die dennoch damit einhergeht. Es ist ein Stück, das im Gedächtnis bleibt.
Weitere Aufführgen finden am 3.5, 24.5. und am 28.5. statt. Ein Besuch lohnt sich.