Der diesjährige Muttertag wurde mit einem Knall beendet! Denn an diesem Abend schlüpfte Jenny Weichert in die Rolle der revolvertragenden »Rose Royal«. Unter der Regie von Schirin Khodadadian feierte »Rose Royal« (nach dem Roman von Nicolas Mathieu) Premiere am 11. Mai im dt.x Keller.
Sobald man den dt.x Keller betrat fiel einem sofort etwas auf: das Bühnenbild wurde auf die obere Galerie des dt.x Kellers verlegt. Jenny Weichert wurde auf dieser Bühne zu einer waschechten “One-Woman-Show" und erzählte die Geschichte der 50-jährigen Rose, die beschließt, kein Opfer mehr zu sein. Sie wechselt dabei stets die Rolle einer Erzählerin und Rose selbst und kreiert damit eine ganz besondere Dynamik. Durch den Bühnenwechsel wurde somit eine neue Perspektive, ein neues Raumerlebnis geschaffen und die Zuschauer:innen wurden dadurch zu echten Beobachtern und Zuhörern.
Geladen und entsichert! Mit einem lauten Schuss aus Rose’s Revolver beginnt das Stück! Ähnlich wie in Thriller-Filmen wie »Dirty Harry« sehen wir den Revolver groß auf der Leinwand, der eine Kugel abfeuert. Durch das Hintergrundvideo von Wiebke Schnapper konnte man schon zu Beginn sehr gut in die Atmosphäre von »Rose Royal« eintauchen. Die Gefahr für eine Frau kann hinter jede Ecke lauern und kann unterschiedliche Formen annehmen. Da hilft nur noch eine 45er!
Jenny Weichert erzählt und schlüpft in die Rolle von Rose, eine Frau mittleren Alters in Frankreich, die nach ihrem persönlichen Glück sucht und sich dabei durchs Leben schlägt. Nach einer sehr traumatischen Erfahrung beschließt sie, sich einen Revolver zur Verteidigung anzulegen. Eines Nachts wurde sie von einem Mann vergewaltigt. Nun soll es kein Mistkerl mehr wagen, sie schlecht zu behandeln!
Solodarstellerin Weichert gibt einen unverblümten Einblick in das Leben der Protagonistin und schafft es dabei, ihrer Rose echtes Leben einzuhauchen. „Die Angst sollte die Seiten wechseln.“ Wenn Jenny Weichert mit der Kanone auf das Publikum zielt und emotional Zeilen wie diese vorträgt, sieht man eine Frau, die sich nichts mehr gefallen lässt – zumindest anfänglich. Ihre seelischen Narben haben Rose stark gemacht, und dies verkörpert Jenny Weichert sehr glaubwürdig. Somit gibt Weichert allen Frauen ein Bild, die an häuslicher Gewalt leiden müssen.
Das Motiv des Revolvers verleiht der Handlung eine gewisse Würze. Manchmal erkennt man Züge eines Jean-Paul Belmondo Krimis oder eines Rachethriller wie »Ein Mann sieht rot«. Es wird trotz des harten Stoffs nie zu deprimierend, denn auch im Hintergrundvideo sind weitere DT-Schauspielerinnen zu sehen, die wie Bond-Girls mit dem Revolver zielen. Aber keine Girls, sondern starke, selbstbewusste Frauen.
Weichert porträtiert eine Frau, mit der man sich einfach identifizieren kann. Selbstironisch schaut sie in den Spiegel, sieht Falten und akzeptiert diese freudig. Nach allem sucht sie trotzdem die Nähe und Wärme eines Mannes – und hat einige Verehrer auf ihrer Online-Partnerbörse. Dass man sich da wie Weichert geschmeichelt fühlt, ist mehr als verständlich.
„Da ist noch Saft in der alten Zitrone“. Mit solchen Zeilen brachte Jenny Weichert das Publikum ordentlich zum Schmunzeln und gab dem Stück eine schöne Prise Humor mit ihrer locker-leichten und charmanten Art.
Schließlich lernt Rose den schweigsamen Luc kennen, und es scheint so, als hätte sie ihr Glück gefunden. Doch handelt es sich um den vermeintlichen Traummann doch um einen Wolf im Schafspelz?
Obwohl Jenny Weichert als einzige auf der Bühne steht, wirkt das Beschriebene sehr lebhaft. Dies liegt daran, dass Weichert das Publikum direkt anspricht und viel mit den Zuschauer:innen interagiert. So kitzelt sie bestimmte Reaktionen bei den Besucher:innen heraus und man fühlt sich stets angesprochen. Zudem tut die Kulisse ihr Übriges, denn Nebel, aufflackernde Lichter und Sounddesign verstärken die manchmal bedrohliche, manchmal romantische Atmosphäre.
Mit ihrem sympathischen und authentischen Schauspiel schafft es Jenny Weichert in »Rose Royal« eine Figur zu schaffen, mit der man sich schnell identifizieren kann. Sie weckt ein großes Spektrum an Gefühlen. Somit kann man nicht anders, als mitzulachen, mitzuleiden und mitzufiebern.