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Das Bundesjugendorchester unter Dirk Kaftan in der PS.Halle Einbeck, am Dirigentenpodest wacht Maskottchen Konrad. | © Photo: Michael Schäfer
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Fredener Musiktage

Vom Glück, am Entstehen einer musikalischen Welt beteiligt zu sein

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Konzert des Bundesjugendorchesters in der PS.Halle in Einbeck
von Michael Schäfer, erschienen am 13. August 2025
Das Bundesjugendorchester (BJO) ist ein gern gesehener Gast bei den Fredener Musiktagen. Am Sonnabend hat es ein umjubeltes Gastspiel in der PS.Halle Einbeck gegeben. Am Ende gab es minutenlange Standing Ovations.

Sie seien „das jüngste Spitzenorchester Deutschlands“, heißt es auf der BJO-Homepage des Bundesjugendorchesters. Das ist selbstbewusst – und stimmt haargenau. 93 junge Musikerinnen und Musiker im Alter zwischen 14 und 19 Jahren füllten das große Podium der Halle. An den Rand des Dirigentenpodestes passte sogar noch Orchestermaskottchen Konrad, ein brauner Teddy im Frack, der mit dem BJO auf Reisen geht und ihm selbstverständlich Glück bringt. Gegründet wurde das Orchester 1969 vom Deutschen Musikrat, die Berliner Philharmoniker haben die Patenschaft für das BJO übernommen. Was diesen Klangkörper seit jeher besonders auszeichnet, hat einmal Dirigent Gerd Albrecht so formuliert: „Man spürt, dass ein Stück regelrecht neu geboren wird. Das ist bei den jungen Leuten so faszinierend.“

Dirigent Dirk Kaftan hatte für das aktuelle BJO-Programm drei Werke aus drei Weltreligionen ausgesucht, was perfekt mit dem Motto der Musiktage „Harmonien des Glaubens“ zusammenpasst: aus dem islamischen Kulturraum Fazıl Says „Tanrıça (Mother Goddess)“, aus der jüdischen Welt Leonard Bernsteins Symphonie Nr. 1 mit dem Beinamen „Jeremiah“ und aus dem Christentum die vierte Symphonie von Gustav Mahler, die mit ihrem Finale zum Thema der „Himmlischen Freuden“ eine kindlich-naive Vorstellung des Paradieses heraufbeschwört.

In Says mitreißender Ouvertüre „Tanrıça“ geht es um die Göttin der Fruchtbarkeit aus der türkischen Mythologie, ungeheuer temperamentvoll und ausdrucksstark von Dirigent Kaftan und dem BJO gestaltet. Thema der ersten Symphonie Bernsteins ist das sündige Jerusalem, die Entweihung des Tempels und die Klage über dessen Zerstörung, die Bernstein einem Solosopran auf Worte des Propheten Jeremia anvertraut hat. Diesen Part sang die aus Israel stammende Mezzosopranistin Rachel Frenkel. Sie besitzt eine enorme Stimmkraft, die sie aufs Feinste zu differenzieren versteht, und lotete damit die expressiven Qualitäten dieser bewegenden Musik tief aus.

Den Höhepunkt des Abends aber bildete Mahlers vierte Symphonie, deren inhaltliche Aspekte Kaftan in einer bildstarken Einführung erläuterte, wobei er seinen Fokus auf kindliches Erleben richtete. Das konnte man anschließend mühelos nachvollziehen, man erlebte kindliches Spiel, Urängste, Gewalt, die Sanftheit mütterlicher Liebe und die paradiesische Wonnen im Finale, die in den Texten aus „Des Knaben Wunderhorn“ handfeste irdische Freuden widerspiegeln, etwa den Genuss beim Essen, der sich einstellt, wenn Petrus fischt und Sankt Martha kocht.

Kaftan gab den gewaltigen und zarten Mahlerschen Klängen Zeit, ihre betörende Wirkung zu entfalten, und ließ wunderbare Farben leuchten. Unter seinem Dirigat begann die Musik gleichsam zu sprechen, die Szenen, die in der Einführung beschrieben waren, erstanden vor dem inneren Auge des Publikums. Ihren finalen Gesangspart – Tempoangabe „Sehr behaglich“ – gestaltete Rachel Frenkel hinreißend. Sie kostete den literarischen Witz aus, artikulierte so perfekt, dass man jedes Wort verstand, und bezauberte mit der Beweglichkeit und Strahlkraft ihrer schlanken, stets unangestrengt geführten Stimme.

Was dieses Konzert aber ganz besonders auszeichnete, war die intensive Freude am Spiel, die man den leidenschaftlich agierenden Musikerinnen und Musikern immer wieder ansehen konnte, die lebendige Art und Weise, in der sie miteinander kommunizierten. Es teilte sich ihr Glück mit, am Entstehen dieser musikalischen Welt unmittelbar beteiligt zu sein. Nach dem finalen Pianissimo der Kontrabässe war es im Saal eine Weile mucksmäuschenstill, bis ein begeisterter Jubel ausbrach, der sich zu Standing Ovations steigerte.

Dafür hatte das BJO eine bewegende Zugabe vorbereitet: Es spielte ohne Dirigent und auswendig erst solistisch, dann in Gruppen eine Folge aus Motiven der Mahler-Symphonie, ließ Akkorde stehen, in die hinein einzelne Musikerinnen und Musiker Worte wie „Harmonie“, „Empathie“, „Liebe“ und „Musik“ sprachen. Am Ende stimmten sie gesungene Töne an, die sie vom Publikum mitsingen ließen. Das ergab eine tief gefühlte Gemeinschaft zwischen Orchester und Publikum. Wunderbar.

Wer das Konzert in Einbeck verpasst hat, kann das BJO mit diesem Programm noch an den drei letzten Stationen seiner Sommertournee hören: am 11. August im Berliner Konzerthaus, am 12. August in Kassel und am 13. August im Kloster Eberbach in Eltville am Rhein.

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