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»Kündigung 3.0« im Theater im OP | © Photo: Dirk Opitz
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Theater im OP

Unbequem, plakativ, hochpolitisch

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Premiere von »Kündigung 3.0« von Niels Maaßen, der auch die Regie führt
von Antonia Fiege, erschienen am 13. April 2025

Eine Generation ohne Hoffnung. Eine Welt kurz vor dem Untergang. Was sich wie ein dystopisches Szenario anhört, ist in Wahrheit bittere Realität. Mit dieser Tatsache konfrontiert das Theaterstück „Kündigung 3.0“ sein Publikum, welches am 11. April im Theater im OP in Göttingen Premiere feierte. 

Seine Inszenierung ist die künstlerische Abschlussleistung von Niels Maaßen im Rahmen des Studienfachs Theaterpädagogik an der Hochschule Osnabrück und erweist sich als definitiv mehr als reine Theaterkunst. 

Die Protagonistin ist Kralle (Nine), die genug hat von der ewigen Ohnmacht, welche sich dank endloser Krisenzustände vor allem in der jungen Bevölkerung breit gemacht hat. Stattdessen will sie Widerstand leisten, auf die Barrikaden gehen und der destruktiven, kapitalistischen Gesellschaft den Kampf ansagen. Und das, indem sie ihr absagt. Gemeinsam mit ihren Kompliz:innen Möhre (Lenberrt), Platsch (Jonah), Momo (Dani J.), Ente (Aska), Jazz (Makoto) und Eagle (Renade) verschanzt sie sich in einem Baumhaus im Wald. Doch auch dort sind die Missstände von Klimakrise, über Gewalt und Rassismus bis hin zu Femiziden allgegenwärtig. Aktivismus soll es also sein – aber wie? Eins ist sicher: So, wie es jetzt ist, kann es nicht weitergehen! 

Die normative Absage des Stücks gilt allerdings nicht nur der Gesellschaft, vor allem die Art der Produktion ist genauso originell, wie sie treffend ist. Die Bühnenproduktion ist minimalistisch mit variablen Ebenen und Podesten, was Körper und Spiel hervorhebt. Die Kostüme im Gegensatz sind hochgradig charakteristisch. Zusammengewürfelte Kleider, keine Schuhe und Vermummungen schaffen eine urbane, rebellische Ästhetik, die mit jeder Faser auf eine radikale Protestbewegung verweisen. Ungemütlich und befremdlich auf den ersten Blick. Sowohl Bühne als auch Kostüme wurden dabei in Zusammenarbeit des Ensembles entworfen und lenken den Fokus auf das Zentrum des Stücks: seine Figuren. Hier fällt vor allem die Form der Darstellung auf. Das Werk zeigt nämlich, indem es erzählt. Abwechselnd wird jeder Figur Raum gegeben, von den eigenen prägenden Erlebnissen, ethischen Überzeugungen sowie persönlichen Bekenntnissen zu berichten, und das Schauspiel könnte authentischer nicht sein. Das liegt zu einem Großteil daran, dass neben fiktiven auch wahre Erzählungen zu aktivistischen Aktivitäten und Krisenerfahrungen geschildert werden. Die Wut, die Frustration, die Raserei der Schauspieler:innen erscheinen so authentisch, weil sie echt und real sind. Grafischer und ehrlicher könnte die Gefühlswelt junger Menschen, gespalten zwischen Ohnmacht und Widerstand, nicht aufgezeigt werden – weder in Form von Inszenierung noch von Schauspiel. Dazu trägt auch das Lichtkonzept von Rox Grigoleit bei. Neben der Fokusbelichtung einzelner Sprecher:innen, sind die Passagen in fast völliger Dunkelheit besonders einprägsam und eindringlich. In diesen geschickt abgegrenzten Sequenzen verteilen sich die Spielenden im Bühnenraum und werfen Nachrichtenmeldungen vergangener Katastrophen oder Realzitate politischer Machthaber ein. Die Finsternis intensiviert dabei das Gefühl, als würden die schlechten Nachrichten nur so auf das Publikum niederprasseln. Ein allzu unverfälschter Blick auf die Lebensrealität in heutigen Zeiten. 

Lebensfeindliche Normalzustände, ausbeuterische Lohnarbeit. All das sind Dinge, mit denen die Darsteller:innen im wahren Leben also konfrontiert sind. Die Regie (Niels Maaßen) spielt sogar förmlich mit der Tatsache, dass es von der relevantesten aller Situationen erzählt. Erzählung und Wirklichkeit greifen fast nahtlos ineinander, sodass Zuschauer:innen die Ebenen kaum noch unterscheiden können. Ob die Figuren (oder doch deren Darsteller:innen?) vor rasender Wut hinter der Bühne randalieren, oder eine Flut tatsächlichen, beunruhigenden Weltgeschehens ins Plenum gerufen wird – das Theaterstück lebt von seiner Aktualität. 

Zum Ende fallen Schauspieler:innen und Figuren dann vollkommen ineinander und schmieden den Plan, nach Ende der Spielzeit das ThOP zu besetzen. Doch alleine funktioniert das nicht. Das ganze Stück über befinden sich die Darsteller:innen mit dem Publikum im Dialog, doch zum Finale wird es sogar in die Verantwortung gezogen: Was passiert jetzt? War es nicht der Plan, zu rebellieren und nicht zu kapitulieren? Das Stück ist unbequem, plakativ, hochpolitisch und facettenreich – selbst schon eine Form des Aktivismus. Ungeschönt bietet es eine Innensicht in die Gedankenwelt junger, politisch frustrierter Menschen, die aber allerhand radikale Ideen haben. „Ein gutes Leben für alle ist möglich“, heißt es. Es wird von Utopien gesprochen – deswegen ist das Stück vor allem eins: eine Inspiration. 

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