Willkommen im Kulturportal vom Kulturbüro Göttingen. 

Hier finden Sie Termine und Nachrichten aus dem Kulturleben der Region. Sie können sich einloggen oder neu registrieren, Ihr Abonnement abschließen oder verwalten, in dem Sie auf das Menü rechts klicken. (Die drei kleinen schwarzen Balken.)
Mit einem bezahlten Abonnement haben Sie Zugang zu allen Texten und Funktionen – und unterstützen die Arbeit des Kulturbüros.

Anne Bers im Gespräch mit Monika Rinck | © Photo: Bode
  • »Pay as you want« - Dieser PLUS-Artikel ist frei verfügbar, muss aber finanziert werden
Information
Literarisches Zentrum

Auf die Bremse treten

Information
Lesung mit Monika Rinck aus ihrem Lyrikband »Höllenfahrt & Entenstaat«
von Miriam Bode, erschienen am 10. April 2025

Wenn man bei einer langen Autofahrt aus dem Fenster sieht, denken die meisten Menschen wohl nicht daran, ein Gedicht zu schreiben. In Monika Rincks Gedichtband »Höllenfahrt & Entenstaat« geht es jedoch genau darum. Mit der Literaturwissenschaftlerin Anna Bers spricht die Autorin über Autobahnen, ruhige Momente und Entengrütze. 

Wenn Monika Rinck ihre Gedichte vorträgt, wird schnell klar, worum es geht: Tempo, Geschwindigkeit und Autos. Die Gedichte können einzeln für sich gelesen werden, wenn Rinck sie vorliest, fließen sie aber ineinander und ergeben ein beeindruckendes Gesamtbild. Auch das Tempo fängt Rinck in ihrer Performanz ein. Mal liest sie schneller, sodass sie kaum noch zu verstehen ist. Dann wird sie wieder langsamer und gibt den Zuhörenden die Möglichkeit, das Gehörte zu verarbeiten. Es ist eine gelungene Darstellung der heutigen Zeit.

So ist es zwar eine Herausforderung der Autorin beim Lesen zuzuhören, aber eine die Spaß macht. An vielen Stellen schmunzelt das Publikum, mehrere Leute lachen. Die ständigen Aufzählungen verschiedener Autobahnen, die sich mit Beschreibungen herrischer Enten vermischen, haben schließlich auch etwas Komisches an sich. Rinck spielt mit der Sprache und so werden laute Straßen und Autorauschen bei ihr zu Poesie. Dabei wird immer wieder deutlich, was Rinck in ihrem Band kritisiert: die Geschwindigkeit, das Tempo, die Eile. «Die Enge muss weg», schreibt sie in einem der Gedichte. 

Ein Schlüsselmoment, der zur Entstehung des Bands geführt habe, sei ein Morgen im August gewesen. Rinck habe aus dem Fenster geschaut und einen Bergahorn gesehen, dessen Laub sich nicht mehr bewegte. Dieser überraschende Moment der Erstarrung steht im starken Gegensatz zu der Mobilität, die fest zum heutigen Alltag gehört. Diesen Kontrast verdeutlicht Rinck auch in ihrem Band. Auf die Enten sei Rinck im Corona Lockdown gekommen. Sie habe einen Auslandsaufenthalt abbrechen müssen und plötzlich nichts mehr zu tun gehabt. So habe sie sich an die Spree gesetzt und den Enten zugesehen. Auch diese Momente der Ruhe und des stillen Beobachtens sind in den Gedichten zu spüren. 

Im Gespräch von Rinck und Bers wird das fehlende Tempolimit kritisiert, die Allgegenwart der Autobahnen und die Selbstverständlichkeit, mit der menschlicher Raum den Autos weichen muss. Um Pferde auf der anderen Seite der Autobahn zu sehen, müssten Fußgänger:innen nun einen beschwerlich langen Weg auf sich nehmen. Es ist ein simples Beispiel, von dem Rinck da erzählt, aber es trifft ins Schwarze, um die Absurdität der Situation zu verdeutlichen.

Zwischen der Be- und Entschleunigung spielt in den Gedichten aber vor allem eins auch eine wesentliche Rolle: die Wut. Wut über die Bundesregierung, die bessere, schnellere Autobahnen bauen will. Wut über den Raum, der den Menschen genommen und den Maschinen gegeben wird. Und es ist Wut über die Darstellung. Verkehrsunfälle werden meist im Passiv beschrieben, auf Autobahnen «verunglücken» Menschen. Rinck hält diese Formulierungen für falsch. Sie stellten diese Krisen als unvermeidbar dar, wenngleich sie menschengemacht seien und vermeidbar sein müssten.

Bers erzählt, sie selbst sei, nachdem sie den Gedichtband gelesen habe, politisiert worden. Der Abend hat die gleiche Wirkung. Besonders durch Rincks Vortragsweise gewinnen die Gedichte außerdem an Tiefe und helfen zum besseren Verständnis. Der Abend mit Monika Rinck wird zu einem komischen Abend im besten Sinn. Ein Abend, der zum Lachen, zum Kopf schütteln und zum Hinterfragen einlädt. Vor allem aber zeigt Rinck die Notwendigkeit, auf die Bremse zu treten – im wörtlichen und im übertragenen Sinn. 

Keine Kommentare

Warum kann ich diesen PLUS-Artikel lesen?

PLUS-Artikel sind Texte, für die eine freie Mitarbeiterin oder ein freier Mitarbeiter bezahlt wird. Die Umsätze unserer Abonnent:innen dienen zur Finanzierung dieser Leistung.

Ausnahmsweise wurde dieser Artikel ohne Bezahlschranke veröffentlicht. Der Autor / die. Autorin hat natürlich dennoch ein Honorar bekommen. Sie können die Arbeit honorieren, indem Sie einen Tagespass oder ein Monatsabonnement abschließen. Alternativ können Sie auch einen Einmalbetrag spenden.

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.