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Alexander Solloch und Dana von Suffrin im Literaturhaus Göttingen | © Photo: Bode
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Literarisches Zentrum

Obstsalat statt Heldenreise

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Dana von Suffrin mit ihrem Roman »Nochmal von vorne« im Gespräch mit Alexander Solloch
von Miriam Bode, erschienen am 16. Mai 2024

Dana von Suffrins Familienroman »Nochmal von vorne« handelt von Tod, Verbitterung und Enttäuschungen. Umso überraschender ist das Gespräch zwischen ihr und Alexander Solloch von NDR Kultur an diesem Dienstagabend im Literaturhaus. Es ist anspruchsvoll, aber nicht ermüdend. Tiefsinnig, aber nicht deprimierend. Die Themen sind weitreichend: von den Figuren des Romans über von Suffrins Schreibprozess bis hin zur aktuellen Politik.

Der im März erschienene Roman ist Hauptthema des Abends. Die Protagonistin Rosa reflektiert in diesem nach dem Tod ihres Vaters über sich und die Beziehungen zu der älteren Schwester und ihren unglücklichen Eltern. Aber sie erinnert sich auch an Momente in Israel, das Heimatland ihres Vaters, und erzählt von ihrem Leben als moderne Jüdin in Deutschland.

An dem Abend liest von Suffrin drei verschiedene Stellen des Romans vor, die den Roman in seiner Gesamtheit sehr gut beschreiben: Der Roman geht mühelos von großen politischen Ereignissen über zu Rosas kleiner Familie und deren ganz persönlichen Biografien. Das große Ganze und die kleinen Dinge hängen zusammen, ist die Botschaft davon, und wir alle seien mit unserem gewöhnlichen Alltag Teil von dem, was in der Welt passiert.

An dem Abend wird viel über Rosas Eltern und ihre dysfunktionale Beziehung gesprochen. Von Suffrin erzählt, ihr haben beide Figuren sehr gefallen, da beide eigentlich überhaupt kein Entwicklungspotential hätten. Beide fingen als Idioten an und gingen auch als Idioten wieder ab, sagt sie und lässt das Publikum so schmunzeln. Es ist sehr angenehm dabei zuzuhören, wie von Suffrin sich und die eigenen Figuren nicht zu ernst nimmt, ohne dabei den eigenen Roman ins Lächerliche zu ziehen.

Von den Figuren geht das Gespräch über zu Suffrins eigenem Leben. Der tote Vater aus dem Buch sei inspiriert von einem Freund ihres eigenen Vaters, der nach dem Jom-Kippur-Krieg so erschüttert war, dass er nicht mehr in Israel bleiben wollte. Diese Geschichte habe von Suffrin sehr berührt, und so hat sie diese in ihren Roman eingearbeitet. Auch die deprimierende Vorstadtsiedlung Moosach in München, wo die Protagonistin Rosa aufgewachsen ist, hat Bezug zu von Suffrin, sie selbst sei in der Nähe aufgewachsen. Die Authentizität, die sie damit beschreibt, ist dem Roman deutlich anzumerken und macht die zentralen Thematiken von Einsamkeit und Ausweglosigkeit schmerzlich realistisch.
Ein anderes zentrales Thema des Abends ist von Suffrins persönlicher Schreibprozess. Humorvoll erzählt sie, dass sie anfangs meist nur eine vage Vorstellung eines Romans habe, dann interagieren ihre fiktiven Figuren miteinander bis schließlich ein Roman dabei herauskommt. Sie sei keine große Planerin und so kommt es dazu, dass ihre Kapitel sich theoretisch meist auch in anderer Reihenfolge lesen lassen könnten, da Plot für sie nur eine nebensächliche Rolle spiele. »Obstsalat statt Heldenreise« nennt sie selbst es. Die Leichtigkeit und die humorvolle Art wie von Suffrin sich selbst und ihr Werk sieht, ist ansteckend. Immer wieder lacht das Publikum und fühlt sich wohl.

Genauso heiter reden Solloch und von Suffrin über den Titel des Romans. »Nochmal von vorne«, weil die Familiengeschichte immer wieder aus verschiedenen Perspektiven neu erzählt werden kann oder weil der Tod des Vaters auch einen Neuanfang bedeuten kann? Von Suffrin freuen die Interpretationen, aber der Ursprung des Titels ist, erzählt sie, viel simpler: »Nochmal von vorne« ist ihr zweiter Roman und sie habe die Word-Datei, in der sie angefangen hat, diesen zu schreiben, einfach so genannt. Wieder lacht das Publikum, es ist einfach erfrischend, der klugen und bodenständigen Autorin zuzuhören. An diesen zweiten Roman habe von Suffrin zudem höhere Ansprüche gehabt und trotz der Tatsache, dass auch ihr Debütroman »Otto« sehr gute Kritiken bekommen hat, gefällt ihr der zweite auch besser.

Von Suffrin erzählt auch davon, wie sich der nun erschienene Roman von der Grundidee, die sie anfangs hatte, unterscheidet. Sie findet es reizvoller über deprimierende Situationen als über glückliche zu schreiben und so wollte sie dem Roman ursprünglich ein sehr trauriges Ende geben, als sie 2019 begonnen hatte, ihn zu schreiben. Aber seitdem sei so viel Schlechtes passiert, sodass sie sich schließlich dafür entschieden habe, ein Happy End wenigstens anzudeuten.
Eins dieser schlechten Dinge ist der Israel-Gaza Krieg, der für von Suffrin als Jüdin eine besondere Bedeutung hat und über den auch gesprochen wird. Von Suffrin beschreibt, wie sie seit dem 7. Oktober ihren Glauben verloren habe, dass in Deutschland alles eigentlich gut und sicher sei. Sie habe gemerkt, dass in Wahrheit nichts in Ordnung sei und auch nie in Ordnung gewesen sei. Der anscheinend immer stärker werdende Antisemitismus mache ihr Angst, aber sie wolle nicht nur voller Angst durchs Leben gehen.

Es war also ein sehr erfolgreicher Abend. Besonders das sympathische Duo aus Solloch und von Suffrin hat eine tiefsinnige, zwanglose und lustige Atmosphäre geschaffen und es lohnt sich, den Mitschnitt der Veranstaltung am 2. Juni um 20:00 Uhr auf NDR Kultur anzuhören. Zudem können Interessierte mit Vorfreude auf von Suffrins dritten Roman warten, an dem sie derzeit schreibt. Diesmal soll es eine Liebesgeschichte werden.

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