Die berühmte »Last Night of the Proms« mit populären Klassikern in Göttingen – das Göttinger Symphonieorchester macht es in Kooperation mit den Internationalen Händelfestspielen und der Jacobikantorei am 23. Mai 2025 möglich. Und die ausverkaufte Stadthalle feiert mit ähnlichem Enthusiasmus wie die Royal Albert Hall.
Beliebte Märsche, Tänze, große Chorwerke und Musik für das Herz bietet das letzte Promenadenkonzert der Saison. Und nicht nur das Publikum schwärmt für diese Klassiker. Chefdirigent Nicholas Milton kennt die Werke im wahrsten Sinne des Wortes in- und auswendig. Mit einer einzigen Ausnahme - Händels „Zadok the Priest“ - dirigiert er ohne Partitur, ist dadurch stets ganz bei den Musiker:innen, leitet sie punktuell und individuell an, phrasiert, fordert interpretatorische Nuancen. Miltons feurige Begeisterung für die Musik überträgt sich über die Musiker:innen auf den ganzen Saal, der diese mit Bravo-Rufen nach jedem Stück zum Ausdruck bringt.
Bravourös ist in der Tat das perfekte Zusammenspiel in der wild-wuseligen Musik von Edward Elgars (1857-1934) „Wild Bears“ oder im in den Geigen fingerzauberischen „Tanz der Komödianten“ von Bedřich Smetana (1824-1884). Beseelend ist das zart-schwebende und hingebungsvolle „Nimrod“ von Elgar mit einem faszinierend weich-sanften Einsatz der Bläser, einem langgezogenen Crescendo und zartestem Ende im Pianissimo. Mit einer wunderschönen Phrasierung erklingt das traditionelle „Londonderry Air“, zuerst mit der traumhaften Melodieführung in den Celli, bis die ersten Violinen zum Dahinschmelzen übernehmen. Die Flöten brillieren mit zarten Tönen in Georges Bizets (1838-1875) „Danse Bohème“ und melodischem Tanz zusammen mit dem gleichbleibenden Rhythmus der Trommel in seiner „Farandole“, einem südfranzösischen Volkstanz. Ebenso ist der „Galop“ von Aram Chatschaturjan (1903-1978) mit seinen feinen Klarinetten- und Flötentönen ein Genuss. Darüber hinaus hatte das Publikum seine Freude an Elgars „Pomp and Circumstance“ Marsch Nr. 4 und Otto Nicolais (1810-1849) „Ouvertüre“ zu „Die lustigen Weiber von Windsor“.
Neben dem GSO werden an diesem Abend auch die Sänger:innen der Jacobikantorei mit einem crescendierenden Applaus auf der Bühne begrüßt. Nach anfänglichen kleinen Unsicherheiten bei den überaus anspruchsvollen Passagen von G. F. Händels (1685-1759) „Zadok the Priest“ konnten die Sänger:innen in Jean Sibelius (1865-1957) „Finlandia“ mit einem beeindruckenden Crescendo leuchten. Stimmkräftig erklang der Chor neben den pompösen, mächtigen Bläserklängen. Schließlich lassen die Sänger:innen Händels „Halleluja“ festlich und intonationssicher durch alle Stimmen erklingen. Nach diesem ersten Höhepunkt des Abends folgt „Jerusalem“ von Sir Charles Hubert Parray (1848-1918), arrangiert von E. Elgar. Die Aufnahme von „Jerusalem“ in das Programm soll „Ausdruck von Hoffnung, Gemeinschaft und kultureller Identität“ sein, schreibt Milton im Programmheft, denn diese Musik könne dazu beitragen, „zu verbinden, zu ermutigen und neue Perspektiven zu eröffnen - nicht zu trennen.“
Abschluss des Programms bildet Sir Henry Woods (1869-1944) „Hornpipe“ aus „Fantasio on British Sea Songs“, ein traditioneller Seemannstanz, der bei keiner Last Night of the Proms fehlen darf - ebenso wenig wie das rhythmische Klatschen der ganzen Halle, immer schneller werdend bis zu einem kaum mehr spielbaren Tempo, das sich im letzten Ton erlöst und das Klatschen im Beifall endet. Und natürlich klatscht die Halle die Zugaben herbei, die von vielen schon sehnsüchtig erwartet werden.
Britische Fähnchen werden geschwenkt und damit Elgars berühmtester Marsch Nr. 1 geradezu eingefordert. Die ganze Begeisterung des Abends krönt in diesem Finale. Das Orchester glänzt und nicht nur die Jacobikantorei singt mit Inbrunst die Hymne „Land of Hope and Glory“; auch der ein oder andere aus der Halle vergisst die deutsche Zurückhaltung und singt mit. Den Applaus muss Milton bremsen - denn es geht zur Freude aller noch weiter.
Die zweite Zugabe ist dann sogar optisch ein Genuss: Bei dem sambaartigen Stück
„Tico-Tico no Fubá“ von Zequinha de Abreu (1880-1935) tanzen die Kantoreimitglieder auf dem Parkett. Von den Besucher:innen traut sich zwar keiner, aber immerhin herrscht ein allgemeines Wippen in den Sitzen - das mit stehenden Ovationen zu einem gelungenen Ende des Abends führt.