Für McGegans Begrüßung hatten sich die Organisatoren eine besondere Überraschung ausgedacht. Sie hatten dafür Benedikt Poensgen gewonnen, in der Ära McGegan geschäftsführender Intendant der Festspiele, der heute in Hannover für die Veranstaltungen in den Herrenhäuser Gärten zuständig ist. Er fand ausgesprochen herzliche Worte für McGegan und freute sich sichtlich, so viele Händel-Fans wieder begrüßen zu können, die den Festspielen seit Jahrzehnten die Treue halten. Dazu gehjört auch Arne Kolb, im Jahr 2000 als Siebenjähriger das Bühnen-Kind der Titelheldin Rodelinda in der gleichnamigen Händel-Oper, inzwischen Arzt mit Spezialgebiet Anästhesie und Intensivmedizin, den auch die früh angelegte Händel-Begeisterung bis heute nicht verlassen hat.
McGegan überraschte sein Publikum mit zwei Besonderheiten: Zum einen hatte sein Konzert nicht etwa Händel als Schwerpunkt, sondern Vivaldi. Und zum anderen brachte er eine bravouröse Sängerin mit, die in Göttingen bislang noch nie zu hören war (und der der amtierende künstlerische Leiter George Petrou auf seinem Platz in der ersten Reihe mit besonders geneigten Ohren zugehört haben dürfte): die italienische Koloratursopranistin Arianna Vendittelli.
Sie trug nicht nur goldfarbene Kleidung, sie hatte auch eindeutig Gold in der Kehle. Arien aus fünf Vivaldi-Werken hatte sie mitgebracht, den Opern „Tito manlio“, „Catone in Utica“, „Orlando furioso“ und „La Fida Ninfa“ und der Kantate „Amot hai vinto“, dazu – als Reverenz an die Händel-Stadt Göttingen, zwei Arien aus den Händel-Opern „Serse“ und „Ariodante“. Das war ein wahres Feuerwerk an Kehlfertigkeit. Vendittelli singt auch die rasendsten Koloraturen mit atemberaubender Sicherheit und Genauigkeit, bedient ein riesiges Spektrum an Gefühlen, ist im Liebesschmerz ebenso virtuos wie in den schäumenden Wogen eines aufgewühlten Meeres.
McGegan am Cembalo konnte sich da getrost genießerisch im Hintergrund halten und sich von derart wunderbaren Tönen feiern lassen. Die kamen nicht nur aus der Sängerinnenkehle, sondern entströmten auch dem hochprofessionellen Instrumentalensemble mit den Geigerinnen Julia Kuhn und Gabriella Jones, der Bratschistin Ildiko Ludwig, dem Cellisten Julien Barre und Alex McCartney an der Theorbe. Sie lockerten die Programmfolge mit einigen exquisiten Kammermusikstücken auf, mit der Einleitungs-Sinfonia aus einer Vivaldi-Serenata, dazu zwei Triosonaten von Telemann und Händel sowie der wunderbaren Händelschen D-Dur-Violinsonate.
Stürmischer Applaus, eine ganz zurückgenommene Arie aus „Alexander Balus“ als Zugabe. Und was die Treue zu Göttingen angeht: Am Sonntag wurde Benedikt Poensgen in den Stiftungsrat der Händel-Stiftung berufen. Göttingen lässt seine Fans einfach nicht los.