Ein international besetztes Quartett mit starker Ausdruckskraft und Leidenschaft. Das »Nerida Quartett« bestehend aus Saskia Niehl und Jeffrey Armstrong (Violinen), Grace Leehan (Viola) und Nadja Reich (Violoncello) konnte seit seiner Gründung 2018 bereits bemerkenswerte Erfolge feiern. Das Streichquartett erhielt den 1. Preis bei der ORPHEUS Swiss Chamber Music Competiton oder den Förderpreis des Boris-Pergamenschikow-Wettbewerbs Berlin 2019, war Preisträger der Schenk Foundation Competition 2021 und auch Finalist beim Prix Credit Suisse „Jeunes Solistes“. Nach vielen internationalen Auftritten in ganz Europa beehrte das Ensemble erneut das Göttinger Publikum und feierte sein triumphales Comeback im Clavier-Salon am 11. Juli.
Los ging es mit einem Stück von Joseph Haydn, „Streichquartett C-Dur Hob. III:57“ (1788). Das Ensemble beeindruckte gleich von der ersten Minute auf mit einem festlichen Vivace-Part. Star-Geigerin Saskia Niehl verblüffte zusammen mit ihren nicht minder virtuosen Kolleg:innen das Publikum mit einem besonderen ersten Thema, welches die harmonischen Möglichkeiten richtig ausreizte. Das Thema, welches die Grundtonart eigentlich breit ausführen sollte, wurde sogleich nach G, As und a versetzt. Besonders auffallend und effektvoll war aber, dass das Quartett das Thema immer wieder mit Generalpausen wirkungsvoll unterbrochen hat. So ließ das »Nerida Quartett« das Publikum ein wenig zappeln. Nach bezaubernden Tönen gab es immer wieder eine Pause, sodass man als Zuhörer:in richtig gespannt war und immer mehr von diesen kantablen Melodie- „Happen“ verlangte. Damit führte das Ensemble auf verspielte Weise die Zuschauer:innen etwas an der Nase herum und spielte mit den Erwartungen des Publikums. Eine sehr kreative und wirkungsvolle Komposition von Joseph Haydn, welche das Quartett perfekt transportierte und auf ihre Weise interpretierte. Anschließend forderte eine einsetzende schwungvolle Melodie das Publikum zum Tanz und Mitwippen auf.
In dem darauffolgenden langsamen Satz und Menuett überzeugte besonders Jeffrey Armstrong mit dramatischen und melancholischen Abschnitten, bei denen er gefühlvoll und leidenschaftlich den Bogen über die Saiten strich. Auch ein majestätisch-lauter Unisono-Part ließ die Herzen der Zuschauer:innen höherschlagen. Ein besonders schöner Anblick war das Zusammenspiel zwischen den beiden Violinen. Armstrong gab eine Melodie vor, die von Saskia Niehl imitiert wurde. Man sah den beiden Geigern ihre Freude am gemeinsamen Spielen richtig an. Der abwechselnde Dialog der Geigen bezauberte das gesamte Publikum.
Bei dem zweiten aufgeführten Stück, Benjamin Brittens „Streichquartett Nr. 1 D-Dur op.25“ (1941), wurde es richtig gespenstisch. Violinen und Viola spielten andante eine ruhige, leise und zugleich schrille Melodie, während Nadja Reich an ihrem Violoncello tiefe Töne zupfte und so dem mysteriösen Klangerlebnis noch mehr Nachdruck verleiht. Diese befremdliche melodische Figur mit ihrem schrillen, ruhig gehenden Charakter wirkte wie das Zirpen von Grillen oder erinnerte sogar an leises Geistergeheule. Plötzlich überfiel das Quartett das Publikum mit einem sehr lauten, rastlosen Abschnitt getragen von den Geigen und der Bratsche. Währenddessen zupfte Nadja Reich die Saiten ihres Violoncellos äußerst eindrucksvoll, sodass man beinahe glaubte, dass sie ein E-Bass spielte und brachte so einen kleinen Hauch Blues mit ein.
Daraufhin imponiert das Quartett mit dem Allegro-Abschnitt, welches durch scharfe Synkopen-Rhythmen und kompaktem Akkordsatz gegenzeichnet ist. Hier überzeugte besonders Grace Leehan mit ihrer imposanten Ausdruck- und Spielweise auf der Viola.
Zum krönenden Abschluss gab es noch das Streichquartett Es-Dur op. 44,3 (1839) von Felix Mendelssohn-Bartholdy zu hören. Durch den gesamten ersten Satz spielte das Streichquartett ein sich durchziehendes Sechzehntelmotiv. Auf die lyrisch-weichen Farben des Hauptthemas folgten glänzend virtuose Aufschwünge der ersten Violine von Saskia Niehl. Von Niehls lebhafter und energiegeladener Aura wird einfach jeder in den Bann gezogen.
Auch mit einer leuchtenden Sechzehntelfiguration besticht Niehl bei der Reprise des Hauptthemas, während die anderen Spieler durch ihre imposanten Bogenkünste Mendelsohns einfallsreiche Variationen richtig zur Geltung bringen.
Den musikalischen Abend brachte das Ensemble schließlich zu Ende mit einem tänzerisch-brillanten Kehraus, bei welchem alle Stimmen durch ihre blitzschnelle und laute Spielweise den gesamten Saal zum Beben brachte! Dafür gab es Extrabeifall!
Ein leidenschaftlicher Auftritt mit Ecken und Kanten. Das »Nerida Quartett« stellte erneut seine herausragenden Qualitäten unmissverständlich unter Beweis und brachte das gesamte Publikum zum Staunen. Alle Streicher harmonierten tadellos und schufen zusammen ein großartiges Klangerlebnis, welches einfach ein großes Fest für die Ohren war.