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© Photo: Martin Liebetruth
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Theater im OP

Der Schatten der Schmetterlinge: die Abgründe der menschlichen Psyche

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Premiere von »Schwarze Schmetterlinge« von Philip Ridley
von Jasmin D'Amico, erschienen am 01. November 2024

Es gibt Orte in denen menschliche Psyche, so tief verborgen liegt, dass selbst ein flüchtiger Blick hinein eine abschreckende Wirkung erzeugt. Abgründe, die wir lieber vermeiden sollten, die jedoch trotzdem eine seltsame Faszination auf uns ausüben. Doch was treibt uns an, diesen dunklen Schatten näherzukommen und was wird uns erwarten, wenn wir doch den Mut finden, einen Blick hineinzuwerfen?  

Ein Abstieg in die Finsternis

In Philip Ridleys Theaterstück »Schwarze Schmetterlinge« wird genau dieser Sprung in die Finsternis gewagt, in der der Mensch schonungslos in seinem düstersten Gewand dargestellt wird. Das Theater im OP (ThOP) stellte sich dieser schauspielerischen Herausforderung und führte das Stück im Rahmen des Premierenabends am 30. Oktober unter der Regie von René Anders erstmals auf.

Wir befinden uns in einem dystopisch gezeichneten London, in dem die Brüder Elliot, dargestellt von Phil Schlöter, und der von Jakob Jockers gespielten Darren versuchen, sich über Wasser zu halten. Denn die neue Welt ist gekennzeichnet von Gewalt und Unruhen. Banden, die alles töten, was ihnen unter die Augen tritt und eine seltsame neue Droge in Form von Schmetterlingen, die notwendig werden, um dieses Dasein durchzustehen. Um am Leben zu bleiben, werden die Brüder gezwungen, zwielichtige Partys für die Oberschicht, die dort ihren größten Perversionen und makaberen Fantasien nachgehen wollen, zu organisieren. Doch wie reagiert man, wenn die Dinge plötzlich nicht planmäßig verlaufen? Und wie weit ist man bereit zu gehen, um seine eigene Familie zu schützen?

Brüder im Überlebenskampf 

Das Bühnenbild stellt eine verlassene Wohnung dar, die Elliot und Darren benutzen, um die nächste „Party“ vorzubereiten. Sie ist karg und verwüstet, zieht die Besucher:innen aber direkt in die Welt und in den Bann der trostlosen Atmosphäre. Schnell wird deutlich, dass Elliot der Anführer der beiden ist und dafür sorgt, dass beide am Leben bleiben. Die autoritäre Rolle Elliots wird vor allem auch durch die schauspielerische Leistung von Phil Schlöter lebendig, in der er die Stärke sowie Verzweiflung seines Charakters zur Geltung bringt, während er versucht, seinen Bruder vor der dunklen Realität zu schützen. Darren dagegen scheint naiver und benebelt durch den Konsum von Schmetterlingen. Die gespielte Unbedarftheit durch Jakob Jockers sorgt jedoch dafür, dass man Darren direkt in sein Herz schließen kann. Die Interaktion zwischen den Brüdern ist jedoch geprägt von Frustration, Angst und dem ständigen Druck der brutalen Außenwelt. Immer wieder blitzt jedoch auch die große Liebe auf, die beide füreinander hegen.

Intensität und Emotionen 

Die Dialoge sind scharf, mit vielen Kraftausdrücken, und durchzogen von bitterem Humor. Immer wieder wird die brutale Realität zum Thema, besonders als die neue Figur Naz, gespielt von Charlie Weyh, auf die Bühne tritt. Dieser erzählt ganz hemmungslos und ohne eigenen Schrecken, was für grauenhafte Taten er gesehen hat, und symbolisiert damit perfekt sein eigenes, nicht verarbeitetes Trauma, das durch den Konsum der Schmetterlinge unterdrückt wird. Auch wird durch die Dialoge das „Zuvor“ durch episodenhafte Flashbacks geschildert, sodass durch die bittersüßen Erinnerungen vermittelt wird, dass die Welt auch einmal anders ausgesehen hat. Die Stärke des Stückes liegt vor allem in der Interaktion der Schauspieler:innen, die alle ein unterschiedliches Verhältnis zueinander haben. Mal ist sie schroff und kühl, ein anderes Mal dann herzergreifend. Eingekleidet in die makabere Situation, in der sie alle gefangen sind.

Die Abgründe der menschlichen Psyche 

Nicht umsonst sollte das Skript Ridleys damals gar nicht veröffentlicht werden. Auch heute noch löst es Kontroversen aus, denn die dunklen Themen, die Ridley anspricht, sind zeitlos. Es geht um den Verfall von moralischen Werten, die Zerbrechlichkeit von menschlichen Beziehungen und wozu der Mensch durch seine düsteren, inneren Fantasien fähig ist. Ein Weckruf der die Zuschauer:innen dazu zwingt, sich mit ihren eigenen moralischen Grenzen auseinanderzusetzen. 

Ein Erlebnis, das Mut fordert

Die Inszenierung »Schwarze Schmetterlinge« des ThOP durch die Regie von René Anders schafft es, diese bedrückende Intensität und Atmosphäre meisterhaft zu transportieren. Vor allem die großartige schauspielerische Leistung jedes einzelnen Darstellers – zu denen auch Toff Weber, Jakob Gocksch, Tom Röber, Anika Bittner und Daniel Osman gehören - trägt dazu bei, dass man bis zum Ende mitfiebert und auch die erschreckende Wendung bis in die Knochen spürt. 

Ein Theaterstück, das sich lohnt, gesehen zu haben und eine mutige Wahl, um sich seinen eigenen Dämonen zu stellen. Es ist nicht nur ein Stück über den Kampf ums Überleben, sondern auch eine eindringliche Auseinandersetzung mit der Dunkelheit eines jeden Menschen. Dabei sind die harte Sprache und die Grausamkeiten, die angesprochen und gezeigt werden jedoch nichts für schwache Nerven, wie die lange Triggerwarnung verrät und die definitiv vor dem Besuchen des Stückes angeschaut werden sollte.

Für diejenigen, deren Interesse jedoch geweckt ist, gibt es die weiteren Aufführungstermine auf der Homepage des Theaters im OP. Dort sind sowohl weitere Informationen zur Inszenierung zu finden als auch die zuvor genannte Triggerwarnung.

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