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© Manga von Keanu Demuth
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Junges Theater

Der mordlustige Anwalt kehrt zurück!

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Premiere »Das Kind in mir will achtsam morden«
von Keanu Demuth, erschienen am 04. November 2024

Im Jungen Theater wird wieder achtsam gemordet! Denn am 2. November feierte die heißerwartete Fortsetzung »Das Kind in mir will achtsam morden« Premiere im JT. Erneut schlüpft Jens Tramsen in seine Paraderolle als mordlustiger Anwalt Björn Diemel. Ihm zur Seite stehen Thyra Uhde und Fynn Knorr, die jeweils über sieben verschiedene Charaktere verkörpern! Ob es da vielleicht nicht etwas unübersichtlich wird? Kann die Theater-Fortsetzung zu Karsten Dusses Roman überzeugen? Und hält der Titel »Achtsam morden« auch diesmal das, was er verspricht? Eines vorweg: es werden ordentlich Tabus gebrochen!

Nach einem missglückten Urlaub auf den Alpen besucht Björn den Achtsamkeits-Coach Joschka Breitner, der ihm das Konzept des „inneren Kindes“ erklärt. Daraufhin macht Björn sein inneres Kind verantwortlich für seine Eheprobleme und vor allem für seine rasende Mordlust! Besonders die überdrehten Szenen in denen Jens Tramsen als Björn sein inneres Kind erforscht, machen richtig Spaß mitzugucken. Tyra Uhde stellt frech und verspielt Björns inneres Kind mit Schirmmütze dar. Wie ein kleiner Teufel auf der Schulter von Björn gibt sie immer wieder gemeine und schadenfreudige Kommentare und Anweisungen, die für viele Lacher sorgen! Und ob es bei den vielen Rollenwechsel zu Verwirrung kommt? Keineswegs. Beim blitzschnellen Rollenwechsel schmunzelt man eher als verwirrt zu werden. Dank ihrem ausdruckstarken Schauspiel und den wechselnden Kostümen heben Thyra Uhde und Fynn Knorr die Figuren deutlich voneinander ab. In einem Moment ist Uhde noch die nervende pinkgekleidete Exfrau und im nächsten Augenblick tritt sie plötzlich als cooler Mafia-Fahrer Sascha mit Sonnenbrille auf! Passend dazu weckt ihr starker bulgarischer bzw. russischer Akzent als Sascha Assoziationen an Gangster- und Krimi-Filme. 

Nicht minder beeindruckend ist auch der Rollenwechsel von Fynn Knorr. Mit roter Strickjacke ist er zunächst das gelassene Rat-gebende Guru, bis er danach den impulsiven Mafia-Boss Boris verkörpert und schließlich sogar in die Rolle von Björns neuer Geliebten Laura schlüpft. Auch das Bühnenbild von Jörg Brombacher helfen ungemein beim Szenen- und Rollenwechsel. Ein drehbarer, mit unzähligen Türen und Fenstern versehener Würfel dient als Bühnenbild und suggeriert den Zuschauer:innen in einer Alpen-Kneipe oder im Heizungskeller-Gefängnis des Kindergartens zu sein.

Der schwarze Humor, kommt keinesfalls zu kurz. Ein trockener Witz folgt dem nächsten. „Was haben Sie in der Zwischenzeit erlebt?“, fragt Psychiater Breitner. „Ich habe vier Menschen umgebracht,“ antwortet Jens Tramsen als Björn schamlos. Wie nicht anders zu erwarten, geht Tramsen wieder voll auf in seiner Rolle als labiler Anwalt. Als Erzähler kommentiert er das Geschehen auf sarkastische und hämische Weise. Die vierte Wand wird oftmals sehr komisch gebrochen, zum Beispiel als Björn sich mit seinem Coach darüber streitet, dass dies seine Geschichte ist. Eheprobleme, die Mafia und auch die Polizei machen ihm das Leben schwer! Da explodiert Tramsen oftmals vor Wut und lächelt daraufhin wieder so, als sei nichts gewesen. Diese angsteinflößenden und zugleich amüsanten Stimmungsschwankungen meistert Tramsen wie kein anderer. Mit seinen Mood-Swings wirkt er wirklich wie am Rande des Nervenzusammenbruchs, wie ein waschechter „American Psycho“ oder besser gesagt „German Psycho.“

Wie bereits erwähnt hilft der glaubhafte Rollenwechsel der Darsteller und das Bühnenbild, der verwobenen Handlung zu folgen. Auch »Das Kind in mir will achtsam morden« ist ein waschechter Krimi, bei welchem man gespannt miträt und mitknobelt, wer jetzt überhaupt der Täter ist. Denn Björn wird von einem unbekannten Kidnapper erpresst. Glücklicherweise bietet das JT einen guten Einstieg, der das Ende des Vorgängers gut zusammenfasst. So können auch neue Zuschauer:innen einfach einsteigen, ohne den Vorgänger geschaut zu haben.

Leider fehlt der Handlung manchmal etwas „Mord“. Der einzige richtige Mord ist der, bei welchem Björn einen Kellner absichtlich von einer Bergstation abstürzen lässt. Leider wird dieser nur mehrere Male erwähnt. Hier hätte man vielleicht noch ein wenig kreativer sein können, zum Beispiel, dass der Kellner-Darsteller vom Würfel auf ein Matte fällt oder dass eine Puppe runtergeworfen wird. So bleibt es aber zumindest der Vorstellungskraft des Zuschauers überlassen, wie auch beim nervenaufreibenden Finale, wo endlich wieder ein Fleischermesser zum Einsatz kommt. 

Es werden zwar keine Tabus in Hinsicht auf Brutalität gebrochen, aber dennoch präsentieren Tramsen und Fynn Knorr eine sehr mutige Szene auf der Bühne. Knorr spielt nämlich auch die Geliebte Laura, flirtet heftig mit Björn bis sich beide leidenschaftlich auf der Bühne küssen! Die erotische Musik im Hintergrund tut ihr übriges und lässt die Szene sowohl witzig als auch verdammt tollkühn wirken! Für ihr Engagement müssen die beiden Darsteller und das JT-Ensemble auf jeden Fall groß gelobt werden. Sie zeigen, das LGBTQ-Inhalte stolz im Theater gezeigt werden sollten.

Zwar etwas weniger Mord, dafür aber viele urkomische Szenen und drei glaubwürdige Darsteller, die verstehen was es heißt, in verschiedene Rollen zu schlüpfen. Auch mit seiner Fortsetzung weiß »Achtsam morden 2« erneut zu überzeugen und dreht besonders nach der Pause ordentlich am Spannungsregler – und am Thermostat!

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