Am 18. Mai 2025 gastierte das renommierte Leipziger Calmus Ensemble im Rahmen der Internationalen Händel-Festspiele Göttingen in der St. Norbertkirche in Friedland – mit einem ebenso feinfühligen wie humorvollen Programm unter dem Titel Byrd and Birds. Der Wortwitz des Titels erwies sich als programmatisch für den ganzen Abend: Hier verbanden sich tiefgründige geistliche Musik, vokale Klangmalerei und zeitgenössische Reflexionen zu einem beeindruckend stimmigen Konzertabend.
Im Zentrum stand William Byrds „Mass for Five Voices“, ein Meisterwerk der englischen Renaissance. In fünf Blöcken über den Abend verteilt, erklang die Messe in der besonderen Akustik der Kirche mit ihrer spirituellen Strahlkraft. Byrds Musik – entstanden im religiös aufgeladenen England der Tudors – verlangt höchste vokale Disziplin, vor allem in Intonation und klanglicher Balance. Das Calmus Ensemble, bestehend aus drei Sängern und zwei Sängerinnen, zeigte sich dieser Herausforderung in nahezu jeder Hinsicht gewachsen: Die polyphone Textur wurde mit Klarheit und feinem Gespür für Linienführung gestaltet.
Ein kleiner Wermutstropfen: Zu Beginn zeigte die Sopranistin unerwartete Intonationsschwächen in den Spitzentönen – vermutlich Ausdruck einer leichten stimmlichen Indisposition. Im weiteren Verlauf verschwanden diese Unsicherheiten jedoch vollständig, und das Ensemble präsentierte sich in gewohnter klanglicher Perfektion.
Zwischen die Messeteile waren weitere Werke eingewoben – ein dramaturgisch geschickter Kunstgriff. Mit Vogelstimmen und Naturlauten wanderte das Ensemble durch die Kirche, um an deren Westseite Stücke wie „Waldesnacht“ oder „In stiller Nacht“ von Johannes Brahms in stimmungsvollem Piano und emotionaler Dichte zu präsentieren.
Natürlich durfte auch Händel nicht fehlen – wenn auch augenzwinkernd kommentiert. „Wir haben nur zwei Werke von Händel in unserer Datenbank“, gestand Tenor Friedrich Bracks. Beide erklangen an diesem Abend, darunter eine eigens von ihm arrangierte Version der Arie Ombra mai fu. Auch ohne barocke Verzierungen beeindruckte diese Fassung durch stilsichere Musikalität. Den Abschluss bildete das Chorstück Ritorni omai nel nostro core aus Giulio Cesare, fein phrasiert und klanglich ausgewogen.
Ein besonderes Highlight war Clément Janequins lautpoetisches Le chant des oyseaux, das den Chor in ein Naturorchester verwandelte: Nachtigall, Kuckuck, Drossel und Lerche sangen in kunstvoller Imitation – charmant, präzise und höchst unterhaltsam.
Rhythmisch faszinierend wurde es mit Vytautas Miškinis’ Vai zirge, zirgeli, das die Bewegung eines Pferdes lautmalerisch hörbar machte. Humorvoll und mit kulturellem Augenzwinkern präsentierte sich auch Veljo Tormis’ Sammlung estnischer Volkslieder – Miniaturen voller Alltagsbeobachtung und subtiler Ironie, etwa über Ochsen, die auf Feiertage warten, oder die Beschimpfung der Gutsherren.
Ein Höhepunkt des Abends war die Uraufführung von Harald Banters Zyklus Die Elemente des Seins, der in poetischer Sprache das gestörte Gleichgewicht der Natur thematisiert. Die ausgewählten Texte deutschsprachiger Dichterinnen und Dichter wurden, meist solistisch von der Sopranistin getragen, vom Ensemble feinfühlig harmonisch ergänzt. Besonders überzeugend waren jene Abschnitte, in denen sich die Stimmen in polyphonen Strukturen verflochten – hier brillierte Calmus mit Präzision und gestalterischer Tiefe.
Bei der Zugabe verließ das Ensemble die klassische Linie und präsentierte ein raffiniertes Arrangement von Stings Moon over Bourbon-Street – ein charmanter Ausklang und Beweis für die stilistische Vielseitigkeit der fünf Sänger:innen. Das Publikum reagierte mit langanhaltendem Applaus und forderte lautstark eine baldige Wiederkehr des Ensembles zu den Händel-Festspielen. Vielleicht gibt es dann ja ein drittes Werk von Händel in der Calmus-Datenbank.