Mit einem prachtvollen Galakonzert in der Göttinger Stadthalle setzte Mezzosopranistin Ann Hallenberg gemeinsam mit dem FestspielOrchester Göttingen (FOG) unter der Leitung von George Petrou einen glanzvollen Höhepunkt der diesjährigen Händel-Festspiele. Das Programm war ein wohlbalancierter Wechsel zwischen Händels expressiven Arien und rein instrumentalen Kostbarkeiten Antonio Vivaldis – ein Fest der barocken Klangkunst, bei dem Sängerin und Orchester gleichermaßen glänzen durften.
Ein Abend zwischen Innigkeit und Furor
Bereits vor der Pause ließ das Konzert mit lyrisch-intimen Arien wie „Sento brillar nel sen“ (Il Pastor fido) oder „Vieni, o figlio“ (Ottone) erahnen, weshalb Hallenberg weltweit als Händel-Interpretin gefeiert wird. Mit warmem Timbre, makelloser Phrasierung und großer gestalterischer Tiefe verlieh sie diesen Szenen eine fast entrückte Schönheit. Es war schlichtweg – zum Dahinschmelzen.
Nach der Pause dann das Kontrastprogramm: Koloraturgespickte Virtuosität und dramatische Energie – vor allem mit „Dopo notte“ (Ariodante) und „Venti, turbini“ (Rinaldo) setzte Hallenberg vokale Glanzlichter, die das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinrissen. Ihre musikalische Souveränität gepaart mit charismatischer Bühnenpräsenz machte jede Arie zu einem Höhepunkt.
Das Orchester: Solistisches Können und raffinierter Ensembleklang
Auch das FestspielOrchester Göttingen bewies seine internationale Klasse: Die drei Vivaldi-Konzerte boten Raum für konzertanten Glanz und feine kammermusikalische Dialoge. Besonders eindrucksvoll: Alexandros Oikonomou mit dem Fagottkonzert e-Moll, Theodoros Kitsos mit der filigranen Mandoline im C-Dur-Konzert sowie das fein abgestimmte Zusammenspiel der Streicher.
Eine echte Überraschung war George Petrous Interpretation von Vivaldis berühmter „La Follia“. Was häufig nur als virtuoser Parforceritt erklingt, wurde hier mit dynamischer Raffinesse, struktureller Klarheit und vielschichtigem Ausdruck zu einem Erlebnis ganz eigener Prägung. Besonders die Streichergruppen, angeführt von Elizabeth Blumenstock und Manami Mizumoto, konnten hier ihre ganze klangliche Tiefe ausspielen.
Rahmenbedingungen trüben den Glanz
So makellos das musikalische Erlebnis war – das Umfeld des Konzerts ließ viel zu wünschen übrig. Die Stadthalle Göttingen erwies sich einmal mehr als ungeeigneter Rahmen für einen Gala-Abend dieser Klasse. Die laute Lüftungsanlage übertönte in leiseren Passagen Händels zarteste Töne. Der schwarze Vorhang hinter dem Orchester verdeckte den hinteren Teil der Bühne nur unzureichend. Sichtbare Getränkeflaschen, Bühnenmöbel und eine offen einsehbare und beleuchtete Seitenbühne ließen den Saal eher nach Generalprobe als nach festlichem Anlass wirken.
Warum George Petrou zudem auf das Akustiksegel verzichtete, bleibt unklar. Besonders in den hinteren Reihen und im Rang wirkte der Klang dadurch deutlich gedämpft – ein Umstand, der gerade bei einem Konzert dieses Niveaus den Genuss unnötig schmälerte.
Trotz der akustisch und visuell enttäuschenden Rahmung: Dieses Konzert war ein musikalisches Ereignis auf höchstem Niveau. Ann Hallenberg bewies eindrucksvoll, dass sie zu den bedeutendsten Barockinterpretinnen unserer Zeit gehört – warmherzig, technisch souverän, emotional fesselnd. Gemeinsam mit dem FestspielOrchester Göttingen unter George Petrou entstand ein Abend, der das Herz für die barocke Oper weit öffnete. Man kann sich nur wünschen, dass zukünftige Festspiel-Galakonzerte auch einen würdigen Rahmen erhalten – dem musikalischen Niveau wäre es mehr als angemessen.