Die Stadt Göttingen leidet unter dem massiven Einbruch der Gewerbesteuereinnahmen und stellt derzeit zahlreiche Ausgaben in Frage. Davon betroffen sind auch die Sanierungspläne für das Deutsche Theater. Noch vor kurzem wurden stolz die Ergebnisse der Planungsgruppe präsentiert, Oberbürgermeisterin Petra Broistedt (SPD) zeigte sich zuversichtlich, die notwendigen Kosten von 178 Millionen Euro auf mehrere Schultern verteilen zu können.
In einer Mitteilung der Stadt heißt es nun: „Vor dem Hintergrund stark eingebrochener Gewerbesteuereinnahmen müssen wir unsere Prioritäten auf das Machbare anpassen“. Von daher werde von der Beauftragung weiterer Planungsleistungen bis auf Weiteres abgesehen. Es sollen jetzt lediglich 1,9 Millionen Euro für sicherheitsrelevante Maßnahmen und zur Aufrechterhaltung des Spielbetriebes bereitgestellt werden.
Nach wie vor sollen Fördermittel eingeworben werden. Ob das ohne die entsprechenden Eigenleistungen der Stadt erfolgreich sein kann, darf durchaus in Frage gestellt werden. Der erste, der das in Frage stellt, ist der Bundestagsabgeordnete Fritz Güntzler (CDU). „Ich bedaure die Vollbremsung, die Oberbürgermeisterin Petra Broistedt bei der notwendigen Sanierung des Deutschen Theaters vollzogen hat. Ich frage mich, warum der Weg mit Sanierungsbeirat usw. überhaupt gestartet wurde, wenn schon jetzt, nach nur ein paar Monaten, alles gestoppt wird. Das ist ein Schlag ins Gesicht für unser Theater,“ ließ Güntzler mitteilen. Er fordert eine übergreifende kulturpolitische Debatte: Was wollen und können wir uns in Göttingen leisten? Welche Bedeutung hat die Kultur für unser Zusammenleben?
Die Oberbürgermeisterin stellt jedoch lapidar fest: „Eine zeitnahe Umsetzung des Gesamtvorhabens ist derzeit nicht darstellbar.“
Das ist in der Tat ein Schlag ins Gesicht für das Deutsche Theater, aber auch für das Publikum.
Die Pressemitteilung der Stadt Göttingen im Wortlaut:
Sanierung des Deutschen Theaters: Stadt Göttingen setzt auf erste Maßnahmen und Fördermittelakquise
Die Stadt Göttingen treibt die Sanierung des Deutschen Theaters (DT) mit Blick auf die angespannte Haushaltslage mit Augenmaß voran. Das Theater, das als denkmalgeschütztes Kulturgut von nationaler Bedeutung gilt, steht vor umfassenden Sanierungsarbeiten, um den Betrieb auch in Zukunft zu sichern. Ein kürzlich den politischen Gremien vorgelegtes Gutachten beziffert den Sanierungs- und Erweiterungsbedarf auf 178 Millionen Euro inklusive Risikozuschlag und Preissteigerungen. Oberbürgermeisterin Petra Broistedt hatte stets deutlich gemacht, dass dies das umfangreichste und kostenintensivste Bauvorhaben der Stadtverwaltung sei und eine derartige Summe nur in gemeinsam getragener Verantwortung mit Bund und Land und auf mehrere Bauabschnitte verteilt gestemmt werden könne. Angesichts der gegenwärtigen Haushaltssituation der Stadt ist derzeit keine vollständige Umsetzung möglich. Von daher wird von der Beauftragung weiterer Planungsleistungen bis auf Weiteres abgesehen. Das Projekt soll nun in kleinen Schritten angegangen werden. Im Fokus stehen zunächst die allernotwendigsten Arbeiten, also das, was zur Aufrechterhaltung des Spielbetriebs zwingend notwendig oder durch eine Fördermittelakquise finanzierbar ist.
„Vor dem Hintergrund stark eingebrochener Gewerbesteuereinnahmen müssen wir unsere Prioritäten auf das Machbare anpassen“, betont Oberbürgermeisterin Broistedt. Die Sicherheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Gäste des DT habe dabei oberste Priorität, so Broistedt. Gleichzeitig sei es ihr ein Anliegen, das kulturelle Erbe der Stadt zu erhalten. Besonders freue sie, dass sich Mitglieder des Bundes- und des Landtags bereits vor Ort einen eigenen Eindruck vom Sanierungsbedarf verschafft haben.
Für sicherheitsrelevante Maßnahmen und zur Aufrechterhaltung des Spielbetriebs sind Mittel in Höhe von rund 1,9 Millionen Euro notwendig. Damit sollen unter anderem die Elektrotechnik und die Sicherheitsbeleuchtung erneuert sowie ein Notstromaggregat angeschafft werden. Die Verwaltung schlägt vor, die Mittel aufgeteilt auf 2025 und 2026 in den Haushalt der Stadt Göttingen einzustellen. Die Maßnahmen sollen nur unter dem Vorbehalt der Genehmigung ausreichender Kreditermächtigungen durch die Kommunalaufsicht umgesetzt werden. „Diese Investitionen sind unumgänglich. Damit sichern wir den laufenden Betrieb des Theaters und vermeiden weitere kostspielige Schäden durch Verzögerungen“, erläuterte Stadtbaurat Frithjof Look.
Parallel dazu hat die Stadt Göttingen vorsorglich und fristwahrend eine Interessenbekundung für das Bundesförderprogramm "KulturInvest 2024" eingereicht, um zusätzliche Mittel für die Sanierung zu akquirieren. Geplant sind einzelne Maßnahmen wie die Sanierung der Tragkonstruktion und der Werkstatthalle, der Austausch von Fenstern sowie Zimmermannsarbeiten mit einem Gesamtvolumen von 9 Millionen Euro, die zur Hälfte aus dem Programm finanziert werden sollen. Die Mittel werden im Fall einer Förderzusage in den Haushalten 2025 bis 2027 veranschlagt. Die Umsetzung erfolgt auch hier nur, wenn die Fördermittel verbindlich zugesagt werden und die Kommunalaufsicht eine ausreichende Kreditermächtigung genehmigt.
„Die beantragten Bundesmittel bieten uns eine einmalige Chance, unseren Zielen in kleinen Schritten näher zu kommen“, so die Oberbürgermeisterin. Broistedt stellt zugleich klar: „Weitere Maßnahmen müssen zurückgestellt werden. Eine zeitnahe Umsetzung des Gesamtvorhabens ist derzeit nicht darstellbar.“
Das Vorhaben wird Thema im Ausschuss für Finanzen, Wirtschaft und Digitalisierung am Montag, 2. September 2024, sein. Für die Umsetzung ist ein Ratsbeschluss in der Ratssitzung am Freitag, 13. September 2024, notwendig.
Deutsches Theater Göttingen: Planungsstopp ist falsches Signal
Güntzler: Wir brauchen eine kulturpolitische Debatte in Göttingen
„Ich bedaure die Vollbremsung, die Oberbürgermeisterin Petra Broistedt bei der notwendigen Sanierung des Deutschen Theaters vollzogen hat. Ich frage mich, warum der Weg mit Sanierungsbeirat usw. überhaupt gestartet wurde, wenn schon jetzt, nach nur ein paar Monaten, alles gestoppt wird. Das ist ein Schlag ins Gesicht für unser Theater. Die Vergangenheit hat doch gezeigt, dass wir valide Planungen brauchen, um auch den Bund und das Land mit ins Boot zu holen. Förderanträge konnten deshalb in der Vergangenheit nicht gestellt werden. Dies droht nun wieder. Die schon vorliegenden Informationen zeigen doch deutlich: das Deutsche Theater muss dringend saniert werden. Daran sollten wir festhalten. Über Zeit und Umfang muss die Diskussion weitergehen. Und dafür bedarf es weiterer Planungen.
Die Diskussionen der letzten Wochen haben auch gezeigt: Wir brauchen in Göttingen endlich eine übergreifende kulturpolitische Debatte: Was wollen und können wir uns in Göttingen leisten? Welche Bedeutung hat die Kultur für unser Zusammenleben? Das bedingt, natürlich in Anbetracht der Haushaltslage insgesamt, einen breiten Dialog über alle sogenannten freiwilligen Leistungen, wie wir ihn schon einmal im Rahmen des Entschuldungshilfeprogramms geführt haben.
Diese „Basta-Entscheidung“ der Oberbürgermeisterin ohne Diskussion halte ich aber für den falschen Weg.“