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Stella Maria Köb | © Photo: Frank Stefan Kimmel
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Förderverein DT

„Mit allem, was sie umtreibt“ – Stella Maria Köb erhält den DT-Nachwuchsförderpreis

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Laudatio zur Preisverleihung
von Tina Fibiger, erschienen am 01. Juli 2025

Mit Leidenschaft, Wucht und feiner Empathie verkörpert Stella Maria Köb ihre Bühnenfiguren – und trifft das Publikum mitten ins Herz. Für diese eindrucksvolle Bühnenpräsenz wurde die junge Schauspielerin jetzt mit dem Nachwuchsförderpreis des DT-Fördervereins ausgezeichnet. Eine Laudatio auf eine Künstlerin, die sich mit jeder Rolle verletzlich macht – und dadurch umso stärker wirkt.

Kulturbüro-Autorin Tina Fibiger hat bei der Preisverleihung die Laudatio gehalten. Lesen Sie sie hier im Wortlaut.

Wir feiern heute wieder ein besonderes Fest: Mit der Auszeichnung für eine junge Schauspielerin, die der DT-Förderverein mit seinem Nachwuchsförderpreis ehrt, und mit Glückwünschen für das gesamte Team des Deutschen Theater, dass sich gemeinschaftlich auf und hinter der Bühne und in den Werkstätten füreinander und für sein Publikum engagiert. Sonst könnte auch ein Stück nicht so bravourös und so unterhaltsam schief gehen, wie die aktuelle Produktion zum Saisonfinale, die sich als Hommage an das Theater und alle seine Bühnenhandwerker:innen versteht. Die müssten dafür im Grunde noch viel mehr Beifall bekommen, erst recht unter den aktuell erschwerten Bedingungen, die ihnen nicht nur kommunalpolitisch zugemutet werden. Ohne sie könnte auch dieses Fest des Fördervereins nicht stattfinden, bei dem heute eine junge Schauspielerin einfach mal die schönsten Umarmungen bekommt und die allerherzlichsten Glückwünsche von Allen!

Stella Maria Köb

Viele ihrer Figuren haben sich vergeblich und oft auch verzweifelt nach einer Umarmung gesehnt, in der sie sich für den Moment auch liebevoll geborgen fühlen konnten. Schon Shakespeare traute den glücklichen Umarmungen in seinen Komödien nicht über den Weg… nicht nach all dem, was er seinen Paaren zuvor an Verletzungen, Kränkungen und Bösartigkeiten zugemutet hatte… selbst wenn er Ihnen am Ende die Aussicht auf eine Zukunft in unbeschwerter Zweisamkeit andichtete. Vermutlich sollte sich das Publikum über die zweifelhafte Halbwertzeit ihrer wieder aufflammenden Gefühle seinen eigenen Reim machen, was ja auch in Heinrich von Kleists „Scherbengericht“ der Fall ist. Jetzt, wo die junge Eve sich nicht länger in die Seilschaften von zugriffigen Dorfrichtern und opportunistischen Gerichtsräten verstricken muss, um erniedrigt, beschimpft und verraten zu werden, könnte sie in den Armen ihres „Ruprecht“ endlich aufatmen. Doch der Schein trügt wie so oft. 

Die Schauspielerin lässt ihre Eve vor allem durchatmen, und das ganz für sich, weil die sich endlich aus diesem Käfig von Wohlverhalten, Anpassung und Demut befreit hat, dem sie sich innerlich schon so lange verweigert…und das nicht erst, nachdem sie von der Mutter, dem Geliebten und einer verschworenen Dorfgemeinschaft von Selbstdarstellern an den Pranger gestellt wird.

Stella Maria Köb lässt sie heftig wüten und klagen in ihrer Empörung über den omnipotent auftretenden Dorfrichter und in ihrer Angst um diesen Ruprecht. Sie bestärkt sie zugleich für das entscheidende Tribunal mit Würde und Haltung. während der Zorn weiter spürbar in ihr brodelt und wütet. Diese Eve, mit der sie uns in Kleists „zerbrochenem Krug“ so leidenschaftlich couragiert bestürmt, wird sich der konventionellen Zweisamkeit, die sie jetzt erwartet, vermutlich eher unversöhnlich stellen und ganz für sich bleiben, um endlich selbstbestimmter handeln und leben zu können.

Ein bisschen haben wir es einem „Geisterhaus“ zu verdanken, dass uns Stella Maria Köb jetzt am Deutschen Theater mit widerspenstigen und widersprüchlichen Figuren und dem, was alles in ihnen brodelt, wütet und rumort, vertraut macht und unsere Anteilnahme anspricht. Auch für eine vertiefende Spurensuche in all den verkrüppelten Seelenlandschaften, die ihr Narbengewebe wortgewaltig tarnen oder wortarm ummanteln und in einer emphatischen Nahaufnahme erfahrbar werden. Stella erzählte mir von einer Inszenierung nach Motiven des Romans von Isabel Allende im Wiener Akademie Theater, für die sie sich heute noch genauso begeistert wie damals als 13jährge Schülerin, die dann im Jugendclub des Burgtheater umtriebig war und nach zwei Semestern Germanistik in Leipzig erfolgreich für ein Schauspielstudium punkten konnte. “Die hat mich so in meinem Herzen getroffen, berührt und einfach mitgenommen.“

Einfach mitgenommen werden, ist es nicht das, was auch wir uns von einem Theaterabend wünschen? Dass wir im Herzen getroffen werden und berührt? Sei es von einer Eve, die allen Vereinnahmungsversuchen trotzt, oder von einer Emmi, wie sie sich in dem wild austreibenden Panoptikum „Singularis“ an der Wettbewerbsgesellschaft und ihren Optimierungsdiktaten aufreibt, ständig versumpft und immer wieder ausrastet, weil der Frust nicht nachlässt und das Gefühl sich ständig in Alltagsüberlebendkämpfen zu erschöpfen, die keine Profitrate bedienen.

Empört euch über die Verhältnisse und was sie uns zumuten, fordern viele der Figuren, in die die Schauspielerin entlang der Texte unermüdlich hineinzuhören scheint, in das, was sie beschäftigt und aus welchem politischen, sozialen Kontext heraus. Sie spüre das auch im Körper, sagte sie mir, was wo sitzt und welche Emotionen da empfunden werden, und dass sie immer versuche, mit sehr viel Empathie an die Figuren heranzugehen, um sich in sie hineinzuversetzen. Auch wenn das „empört euch“ gegen sie spricht. 

Für Ihren „Beineberg“ in Robert Musils „Törless“, der sich mit den künftigen Wortführern der Nazi-Ideologie gemeinschaftlich bösartig aufrüstet, lässt sich kein soziales Elend haftbar machen. Die emotionale Verwahrlosung, die in dem elitären Nachwuchs ausufert, während er in einem Eliteinternat auf nationalistischen Größenwahn getrimmt wird, steht auf einem anderen Blatt, in dass die Schauspielerin ebenso couragiert und einfühlsam hineinliest und hört. Das, was in diesem „Beineberg“ in Gedanken, Parolen und Einflüsterungen wütet und irrlichtert, materialisiert sich als zerstörerische Wut nach außen, in der ihn die Schauspielerin für uns erfahrbar machen möchte: Hier bin ich, mit allem, was mich umtreibt.

Wenn Sie jetzt nach der Komödiantin Stella Maria Köb Ausschau halten und nicht nur die Nachwuchspreisträgerin feiern möchten, die auf der Bühne mit den Befreiungskämpfen ihrer Figuren oft so einen bewegenden Aufruhr entfacht, müssen Sie sich noch ein wenig gedulden. Sie wird bis zum Spielzeitfinale noch einige Kaminauflagen stemmen, furchtlos mit der Bohrmaschine hantieren, aus dem Fenster stürzen und sich als Bühnendiva bravourös in Szene setzen. Doch zuvor möchte ich noch bei Büchners Frage, „Was ist das, was in uns hurt, lügt, stiehlt und mordet? “verweilen, der sich die Schauspielerin in „Mephisto“ mit ihrem Hans Miklas gestellt hat. Seiner NS-Gefolgschaft und den wütenden Kampfparolen, die von seinen Bühnenkolleg:innen zunächst noch bespöttelt werden, bis der ein oder andere Platzverweis erfolgt. Wie sehr er sich dabei an die Phrasen von einer sozialen Gerechtigkeit klammert, mit der die neuen Machthaber die Massen für sich einnehmen gedenken, und wie sie in der Kulturszene ihre opportunen Seilschaften bilden. Auch von denen wird er schließlich in die Verzweiflung getrieben…mit einem letzten wütenden Aufbegehren des ewigen Underdogs gegen sein Schicksal.

„Wann wird man dieses Gefühl wieder los, wenn man diese Texte spricht und diese unsäglichen Parolen?“, fragte sich die Schauspielerin, als das Unbehagen nach den ersten „Mephisto“-Vorstellungen immer noch anhielt. Ihre Erklärung dürfte auch Sie nicht überraschen, wenn Sie die Szene erinnern, wie aus Hans Miklas nur noch die Qual eines abgrundtief verzweifelten Menschen laut herausschreien möchte, um mit den Schüssen eines Erschießungskommandos endgültig zu verstummen.“ „Wenn man sich in so eine Figur hineinbegibt, dann begleitet sie einen“, sagt sie,  und wundert sich dennoch mehr als wir beim Anblick diesen innerlich schreienden Körper, der uns ins Herz getroffen hat. “Dass es einen so mitnimmt“…

Es ist nicht nur die Bereitschaft, sondern auch die Fähigkeit, sich für eine Rolle verwundbar zu machen und etwas von sich preiszugeben, die in ihren Nahaufnahmen von Seelenlandschaften spürbar wird…und das eben nicht nur in dramatischen Unruheherden. Da Anteilnahme nicht brüllt, sondern flüstert, sind wir um so mehr als hellhörig Zuschauende gefordert, wenn wir uns mit der Schauspielerin auf Spurensuche begeben, um dann in dem Schauspiel „Nach dem Leben“ auch einer scheinbar unscheinbaren Gestalt zu begegnen, die Anderen für die Zeit nah dem Leben mehr Mut machen kann als sich selbst… wenn auch eher zaghaft und sehr behutsam. Wir werden nicht erfahren, warum sie sich der Erinnerung an einen beglückenden Lebensmoment verweigert, der ihre Seele nach dem Tod begleitet und nicht in Vergessenheit geraten wird. Auch Stella Maria Köb hat sie nicht gefragt und lässt sie in ihrer Melancholie mit einem traurigen Schmerz verweilen… hier bin ich, mit allem, was mich umtreibt, und euch vielleicht bewegt und anrührt.

Mit der Ansage, „Dieses Stück geht schief“ hat auch die Komödiantin Einiges zu schultern, die wir heute als Nachwuchspreisträgerin feiern. Die freut sich über eine besondere Herausforderung, eine Figur zu spielen, die nicht spielen kann und dass auf der Bühne mit allen erdenklichen und unerwarteten Pannen das Scheitern zelebriert wird. Als Inspizientin wird sie am Kaminaufsatz scheitern, an schiefen Bildern und an einem Bühnenbild mit Eigenleben, um sich endlich mal der Kunst der Verwandlung zu widmen und einer heimlichen Sehnsucht. Endlich schlägt ihre große Stunde, wenn die die umschwärmte Protagonistin von einer Tür Schachmatt gesetzt wird.

Mit schief sitzender Perücke, leseunfreundlichen Textblättern und reichlich Versprechern posiert die künftige Diva für ihren ersten großen Krimi-Auftritt, bis die Tür erneut zuschlägt und auch den Schelm in Stella Maria Köb zu einer kleinen Auszeit verdonnert. Der darf schon bald vergnüglich weiter scheitern und mit einem eingespielten Schelmen-Team auf ein abenteuerlich ramponiertes Finale zusteuern, bis endlich nichts mehr schief gehen kann. Bis zur nächsten Vorstellung des Stückes…

Vielleicht ist der Schelm auch mit von der Partie, wenn sich die Komödiantin zum Spielzeitauftakt nach „Nebenan“ begibt und hinter die Theke einer Eckkneipe. Mit wachem Blick auf den ironisch-satirischen Ost-West Kollisionskurs, in den Daniel Kehlmann einen Postboten und einen Filmregisseur verwickelt, und was auch ihre Wirtin noch so alles umtreibt. Wir dürfen auf alles Fälle gespannt sein, wie sie uns wieder ins Herz trifft, berührt und einfach mitnimmt in eine Bühnenerzählung….

…und feiern jetzt die Preisträgerin Stella Maria Köb mit den allerherzlichsten Glückwünschen und einer riesengroßen Umarmung!

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