Der Göttinger Knabenchor in St. Jacobi | © Photo: Schäfer
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St. Jacobi

Tradition und berührende Klangfülle in der Jacobikirche

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Aufführung der »Christvesper« von Franz Herzog mit dem Göttinger Knabenchor
von Michael Schäfer, erschienen am 16. Dezember 2025

Eine ausverkaufte Jacobikirche, am Ende minutenlange Standing Ovations: Mit der »Göttinger Christvesper« seines Gründers Franz Herzog hat der Göttinger Knabenchor am Sonnabend das Publikum restlos begeistert. Dirigent Michael Krause bot eine fesselnde, spannungsreiche Aufführung dieses in seiner Schlichtheit besonders anrührenden Werkes.

Franz Herzog (1917–1981) hat seinen musikalischen Werdegang im Dresdner Kreuzchor begonnen, dessen Leiter Rudolf Mauersberger sein Mentor war. In seiner »Göttinger Christvesper« folgt Herzog einer Tradition des Kreuzchors. Die Vesper besteht aus der gesungenen Weihnachtsgeschichte des Lukasevangeliums, verwoben mit einer Reihe von volkstümlichen Advents- und Weihnachtsliedern. Herzog verzichtet auf komplizierte Arien und schwierige Polyphonie. Stattdessen stellt er das Liedersingen in den Vordergrund. Dafür benutzt er etliche alte Stücke, so etwa den Satz »Es ist ein Ros entsprungen« von Michael Praetorius oder »Kommet, ihr Hirten« von Carl Riedel. Dem Kreuzchorleiter – und seinem musikalischen Mentor – Rudolf Mauersberger erweist er Reverenz, indem er dessen Choralmelodie »Jauchzet ihr Himmel« verwendet und mit einem eigenen Satz versieht.

Viele der Chorstücke stammen aber aus Herzogs eigener Feder. Dabei hat er stets darauf Rücksicht genommen, dass kindliche Sänger keine ausgebufften Gesangsprofis sind. Doch sind seine Sätze nicht etwa musikalisch anspruchslos, sondern bezaubern durch natürliche Klarheit der Diktion und geschmeidige Stimmführung.

Außerdem nutzt Herzog den Reiz der Abwechslung. Viele Sätze singt der Chor unbegleitet, also a cappella, manche sind instrumental begleitet, hier und da setzt eine Pauke besondere Akzente. Den Instrumenten hat er darüber hinaus feine Zwischenspiele anvertraut, die die gesungenen Motive fortspinnen oder kontrastieren. Die von Herzog ursprünglich vorgesehene Orgelbegleitung hat Krause wirkungsvoll für ein Bläserensemble aus drei Trompeten und drei Posaunen arrangiert, die im Konzert mit Mitgliedern der Kammersymphonie Hannover besetzt waren.

Schon Herzog hatte an seiner Christvesper immer wieder Änderungen vorgenommen, etwa Liedsätze neu eingefügt oder durch andere ersetzt. Diese Gepflogenheit hat Krause in seiner Fassung für die Aufführung 2025 fortgeführt. So hat er einen neuen Eingangssatz vorangestellt, den Chor »Advent« des schwedischen Komponisten Otto Olsson in einer Einrichtung für Bläser, dazu den Vespergesang »O lux beata trinitatis« von Mendelssohn, ein musikalischer Leckerbissen für die frischen, volltönenden Männerstimmen des Knabenchores.

Etwas mehr als 50 Sänger standen auf dem Podium, ausgewogen je zur Hälfte mit Knaben- und Männerstimmen bestückt. Krause hatte sie gründlich auf ihre Aufgaben vorbereitet. Da gab es nirgends Unsicherheiten, sondern einen homogenen, strahlenden Stimmklang und feine dynamische Schattierungen, so etwa beim hauchzart begonnenen Kyrie eleison, das von Phrase zu Phrase an Intensität zunahm, aber nicht etwa in ein rohes, ungezügeltes Forte mündete. Einige Passagen sind mit Chorsolisten besetzt, schöne Aufgaben für besondere Leistungsträger des Chores, die ihre Aufgaben mit klangschönen, kraftvollen Stimmen und beherztem Einsatz bewältigten.

Dank seiner guten Probenarbeit konnte Krause für die Chorrezitative mit dem Evangeliumsbericht ein angemessen lebendiges, flüssiges Tempo fordern, ohne dass die Textverständlichkeit darunter litt. Und er sorgte dafür, dass der Charakter der Liedsätze den Herzogschen Vorstellungen entsprach, wie sie der Chorgründer im Cover der 1977 aufgenommenen Schallplatte »Göttinger Knabenchor – Weihnachtsmusik« beschrieben hat: „Zugleich enthält die Platte einen Kranz der schönsten und bekanntesten Weihnachtslieder, deren innige Empfindsamkeit und Schlichtheit nicht durch kompositorische Kunst überhöht wird, sondern durch schönen Klang und einfache Harmonik unmittelbar zum Ausdruck kommt."

Innige Empfindsamkeit und schöner Klang waren auch jetzt, fast 50 Jahre nach der Schallplattenaufnahme, in der Jacobikirche zu genießen. Das machte den besonderen Reiz dieser Aufführung aus, die in ihrer Geschlossenheit und kompakten Kürze – die Vesper dauert etwa eineinviertel Stunden – dank des inspirierenden Dirigats von Michael Krause einen geschlossenen Spannungsbogen bildete.

Weil das Konzert für eine CD-Produktion aufgezeichnet wurde, war dem Publikum jeglicher Zwischenapplaus untersagt. Doch nach dem Schlusschoral »O du fröhliche« gab es kein Halten mehr. Lautstark brach der Jubel los, und fast wie verabredet erhoben sich alle Zuhörerinnen und Zuhörer zum Klatschen von ihren Sitzen, um ihrer lange aufgestauten Begeisterung sichtbaren Ausdruck zu verleihen. Zugabe: die Wiederholung von »O du fröhliche«, von Chor und Publikum gemeinsam gesungen. Das wärmt die Herzen.

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