Einer der kirchenmusikalischen Höhepunkte in Göttingen ist kein Konzert, sondern eine Andacht. Die Veranstaltung kostet keinen Eintritt, applaudiert wird auch nicht. Und diese Andacht ist stets sehr gut besucht. Die Rede ist von der Andacht zur Todesstunde Jesu in St. Jacobi am Karfreitag.
Die diesjährige Karfreitagsandacht war ein bewegendes musikalisch-geistliches Erlebnis, das durch seine tiefgründige Gestaltung nachhaltig beeindruckte. Unter der Leitung von Kantor Stefan Kordes widmete sich der Kammerchor St. Jacobi der Passion Jesu in einer eindringlichen und zugleich kunstvoll differenzierten Interpretation.
Im Zentrum der musikalischen Andacht stand die „Passio Jesu Christi“ nach Psalm 22 von Joachim a Burck – ein Werk der Renaissance, das mit seiner klaren Struktur, der klanglichen Transparenz und seiner emotionalen Tiefe die Zuhörenden unmittelbar in den geistlichen Gehalt der Passion hineinführte. Besonders eindrucksvoll waren die Solopartien im dritten Teil, sensibel und ausdrucksstark gestaltet von Friederike Kohz, Jana Faust und Philip Bittihn. Ihre Stimmen verbanden sich eindringlich mit dem Chorklang und gaben dem Leiden Jesu ein zutiefst menschliches Gesicht.
Eingerahmt wurde das zentrale Passionswerk von drei „Motetten für die Bußzeit“ des französischen Komponisten Francis Poulenc: Timor et tremor, Vinea mea electa und Tristis est anima mea. Poulencs musikalische Sprache, voller expressiver Dichte und klanglicher Finesse, stellte einen reizvollen Kontrast zur Klarheit des Burck’schen Werks dar. Besonders hervorzuheben ist die Interpretation von Tristis est anima mea, in der Renate Sander die Solopartie mit großer innerer Spannung und berührender Intimität gestaltete.
Stefan Kordes führte Chor und Solisten mit sicherer Hand durch das anspruchsvolle Programm und bewies erneut sein Gespür für musikalische Dramaturgie und geistliche Tiefe.
Abgerundet wurde die musikalische Andacht durch die Liturgie und Meditation von Pastor Áron Bence, dessen Worte sensibel zwischen Trost, Stille und existenzieller Tiefe balancierten. Seine Reflexion verband die Musik mit der Karfreitagsbotschaft auf eindrucksvolle Weise und lud zur persönlichen Auseinandersetzung mit dem Leiden und Sterben Christi ein.
Diese Karfreitagsandacht war mehr als ein Konzert – sie war eine geistliche Erfahrung, getragen von musikalischer Exzellenz und liturgischer Tiefe. Ein würdiger und bewegender Moment der Einkehr und Besinnung.