Schon im vergangenen Jahr begeisterte die ungewöhnliche Fusion aus gesprochener Dichtung und orchestraler Begleitung das Göttinger Publikum – eine Verbindung, die auf den ersten Blick unvereinbar schien, sich jedoch als eine unverwechselbare, künstlerische Darbietung erwies. Die Slam Symphony 2024 setzte ein mutiges und kreatives Zeichen in der Kulturszene und die Fortsetzung in diesem Jahr versprach ebenso viel zu bieten.
Am 26. Januar war es dann soweit: Unter dem weitläufigen Thema der Liebe, ging die Slam Symphony in ihre nächste Runde. Für die, die im letzten Jahr schon dabei gewesen waren, war die Slam Symphony II auch ein Wiedersehen mit den drei Spoken-Word-Künstler:innen Tanasgol Sabbagh, Sulaiman Masomi und Dalibor Marković, die mit großem Applaus begrüßt wurden - nicht zuletzt, weil sie es einmal mehr verstanden, mit ihren Worten die Zuhörer:innen direkt zu fesseln.
Begleitet wurde das poetische Trio erneut vom Göttinger Symphonie Orchester, welches unter der Leitung des erfolgreichen Nachwuchsdirigenten Roc Fargas i Castells und der Dramaturgin Barbara Volkswein den klangvollen Rahmen durch eine gelungene Auswahl französischer Komponisten wie Ravel, Satie, Débussy und Bizet schufen. Schon der Auftakt des Abends durch die Prélude des Stückes »Le Tombeau de Couperin« von Maurice Ravel versprach heitere und lebhafte Stimmung, die von den Holzbläsern und insbesondere der Klarinette eingeläutet wurde und das komplexe Thema des Abends eröffnete.
Die Liebe ist ein weites Feld. Vielfältig und in vielen verschiedenen Lebenssituationen anzutreffen. Um es mit den Worten Sulaiman Masomi zu beschreiben: „Es ist die einzige Zauberkraft, die es in unserer Welt noch gibt.“ Tanasglo Sabagh beschrieb in ihrer Dichtung die Herausforderung etwas Neues zu probieren. Eine Besonderheit ihrer Texte ist die Beschäftigung mit gesellschaftlichen Missständen und Rassismus. Aussagen wie „Unmündigkeit durch fehlende Sprachkenntnis“ - Gefühle, die Menschen mit Migrationshintergrund konfrontieren - bleiben dabei lange im Gedächtnis und regen zum Nachdenken an.
Doch auch die Dichtung von Dalibor Marković »Es war einmal«, untermalt durch das Symphonie Orchester mit dem Stück »Pavane pour une infante défunte« von Maurice Ravel, ließ tiefe Gedanken zu, in der besonders die sanften Streicher in den ruhigen Passagen domminierten, während die Fagottstimme des Orchesters eine tiefgründige, fast melancholische Atmosphäre erzeugte. Thematisch ging es um die verschiedenen Stufen einer Beziehung. Von der rosaroten Brille der Verliebtheit, bis hin zur Ehe, um schließlich in einer Fehde zu enden. Die Musik fügte sich dabei perfekt ein, untermalte die Worte, ohne sich aufzudrängen, und traf stets genau den Ton des Stückes, der an Alltäglichkeit in der heutigen Zeit nicht zu übertreffen ist. Eine Schwierigkeit, die ohne Probleme vom Göttinger Symphonie Orchester gemeistert wurde.
Ebenso konnten die Besucher:innen sich auch in dem von Markovic verfassten Text »SMS Fantastique« wiederfinden, in der das lyrische Ich sehnsüchtig auf eine Antwort wartete. Melodisch und mit der Verwendung von Beatbox-Tönen werden die Ängste und das darauffolgende Kopfkino solch „banaler“ Situationen deutlich, in der dann doch am Ende alles gut wird. Vor allem die kreative Art der Darbietung begeisterte das Publikum.
Einen starken Kontrast bildete aber die Stand-Up Comedy von Sulaiman Masomi, der mit viel Humor darüber sprach, wie schwierig es sei, als selbstständiger Künstler eine Partnerin zu finden. Ähnlich schwierig sei es jedoch auch als selbständiger Künstler mit Migrationshintergrund eine Wohnung in Köln zu finden. Durch seinen Vortrag entstand ein humoristischer Vergleich, der das Publikum zum Lachen brachte und die Stimmung erheiterte. Denn die Lösung war offensichtlich: einfach eine Partnerin mit ausreichend großer Wohnung suchen.
Besonders bemerkenswert an der Slam Symphony ist die gelungene Balance zwischen Musik und Wort. Die orchestralen Stücke und die gesprochenen Texte, abwechselnd oder zeitgleich, schufen ein vielschichtiges und abwechslungsreiches Programm. Mal standen die poetischen Beiträge der Künstler:innen im Vordergrund, untermalt von den Klängen des Orchesters, mal ergriff die Musik selbst die Bühne, um ihre eigene Geschichte zu erzählen. Hier ist vor allem die durchdachte Auswahl der Stücke hervorzuheben, die in ihrer Vielfalt die Facetten des Themas unterstrichen. Von den lebhaften und beschwingten Melodien des Allegro Vivo der »Symphonie C-Dur« von George Bizet zu den sanften und träumerischen Klängen des En bateau der »Petite Suite« von Claude Debussy, die vor allem auch durch die dynamischen Bewegungen und klaren Gesten des Dirigenten abgerundet wurden.
Die Slam Symphony hat erneut bewiesen, dass gesprochenes Wort und klassische Musik miteinander vereinbar sind und nicht nur nebeneinander stehen müssen. Die Verschmelzung von Poesie und Orchestermusik in eine harmonische Einheit erschuf ein Erlebnis, das das Publikum nicht nur unterhielt, sondern zum Nachdenken anregte und sich großer Beliebtheit erfreute.