Am 17. Januar füllt der Universitätschor die Aula am Wilhelmsplatz mit Stimmgewalt aus: impressionistische Stücke von Boulanger, Debussy, Chaminade und mehr werden mit Bravour aufgeführt.
Es ist ein fast schon filmisches Setting: In der Aula der Universität am Wilhelmsplatz hat sich inmitten der altehrwürdigen Architektur, großen Portraits und weißen Büsten der etwa hundertköpfige Universitätschor versammelt. Die schwarz gekleideten Studierenden geben in rund zwei Stunden ein Programm zum Besten, das sich ausschließlich mit impressionistischen Stücken befasst. Mal sanft und säuselnd klingen die zahlreichen Stimmen, mal explosionsartig und in einer Lautstärke, die den gesamten Saal bis in die letzten Ecken erfüllt. Das hat eine eigene Dramatik: die Stücke von Lili Boulanger, Claude Debussy, Maurice Ravel, Paul Hindemith und Cecile Chaminade wirken mit Nachdruck.
Entführung in Klangwelten
Leiter des Chors ist Antonius Adamske, der mit vollem Körpereinsatz den Chor durch die Stücke führt. Noch dazu gibt er Einblicke zu den einzelnen Werken und dem Publikum so Anhaltspunkte, die Orientierung bieten. Wenig überraschend für die Epoche des Impressionismus wird auf französisch gesungen. Doch auch wer der Sprache nicht mächtig ist, wird trotzdem von der Musik eingenommen: das Ensemble erschafft gemeinsam Klangwelten, die dazu einladen, sich ganz in den Stücken zu verlieren. Mal in Begleitung eines Flügels, gespielt von Cunmo Yin, mal Acapella singt der Chor von alten buddhistischen Gebeten, Waldelfen, Natur und Tieren. Eröffnet wird der Abend mit „La source”, „Die Quelle”: Das Glitzern des Bächleins hat die Komponistin Boulanger kunstvoll eingefangen. Doch so motiv- und bildreich sind auch die anderen Werke, die das Publikum Stück für Stück aus der Realität in eine Welt der Fantasie entführen. Während in Göttingen dicke Nebelschwaden die Stadt verklären, ist es in der Aula der Chor, der diese Rolle übernimmt.
Adamske betont ebenso, wie selten die Gelegenheit ist, die Stücke aufgeführt zu hören, gerade in Bezug auf die Komponistin Chaminade. Es ist lobenswert, dass die Komponisten und Komponistinnen fast paritätisch ausgewählt sind. Werke abseits des Konzertkanons zu fördern, bleibt in der männlich dominierten klassischen Musikwelt ein zentrales Unterfangen. Während in Laienchören wiederum oft Männerstimmen fehlen, hat auch der Universitätschor damit nicht zu kämpfen. Tenor und Bass verleihen den Werken die benötigte Tiefe. Lena Spohn (Mezzosopran) und Stephan Scherpe (Tenor) als Solisten brillieren ebenso.
„Mesdames et messieurs, c’est moi”
Nach einer Pause kehren die Sänger und Sängerinnen für die zweite Hälfte zurück. Es geht in impressionistischer Manier weiter, besonders hervorzuheben ist Boulangers „Les sirènes”. Um den Gesang der Meerjungfrauen einzufangen, singen die Tenöre hier eine ganze Oktave höher. Das Vorhaben gelingt: „Wir sind die Schönheit, die die Stärksten verzaubert, die zitternden Blumen des Schaums und des Nebels", erklingt es stimmgewaltig auf französisch. Auch der Frühling kommt durch das gemeinsame Singen zu Wort: „ Mesdames et messieurs, c’est moi: moi, le printemps!”. Die Jahreszeit kündigt sich hier beim Publikum persönlich an, was bei den Januartemperaturen eine wünschenswerte Abwechslung ist.
Das titelgebende Stück des Programms, Boulangers „Hymne au Soleil”, eine Hymne an die Sonne, ist eines der letzten gesungenen Werke. Hier wird das „Erwachen der Erde” als „Liebeshymne” bezeichnet, die Sonne in ihrer lebensbringenden Kraft stark gelobt. Sonne und Chor haben in der Hinsicht etwas gemeinsam: mit zahlreichem Lob endet das Konzert ebenfalls. Der volle Saal applaudiert in Länge, auch mit Standing Ovation wird die Arbeit des Ensembles gewürdigt – eine Arbeit, der es gelungen ist, impressionistische Kunst auf eindrucksvolle Weise hör- und spürbar zu machen.