Virtuoser Jubel: Das ist tatsächlich die Spezialität von Michael Heitzler, der die Melodien wunderbar mit den leicht orientalisch anmutenden Schnörkeln der Klezmermusik zu verzieren versteht. Und längst nicht nur dies: Er kann mit dem Klarinettenton schmeicheln, kichern, ihn auch mal lauthals kreischen lassen oder aber das Ohr des Hörers zärtlich streicheln. Und er zeigt, dass mit den Registerwechseln mindestens drei grundverschiedene Klangfarben auf ein und demselben Instrument möglich sind: im Piano in der Tiefe ganz samtweiche Töne, in der Mittellage Klänge, die der menschlichen Stimme ähnlich sein können, dazu in der Spitzenlage helle Glanzlichter, die im musikalischen Verlauf wie Funken zu blitzen vermögen.
Doch ist Heitzler nicht etwa der Solist an der Rampe, der seine Mitmusiker ins zweite Glied verweist. Seine Interaktion mit dem brillanten Pianisten Christian Gutfleisch beispielsweise reicht bis zu perfekt unisono oder im Terzabstand gespielten Hochgeschwindigkeits-Passagen. Wenn er zusammen mit seinem Kontrabassisten Michael Chylewski sanfte Basslinien beschreibt, klingt das beinahe wie ein einziges Instrument – die Attacke des Bass-Pizzicatos gewärmt durch die Weichheit der tiefen Klarinettentöne. Schlagzeuger Daniel Schay spielt meist eher zurückhaltend, um sich in den Soli jazznaher Stücke virtuos und unglaublich einfallsreich auszutoben. Immer wieder merkte man an diesem Abend, wie haargenau ausgefeilt die Arrangements sind, die dennoch immer die Frische und Unmittelbarkeit einer freien Improvisation mitbringen, ganz unangestrengt auch dort, wo die technischen Anforderungen die Grenze des Machbaren streifen.
Das Repertoire, mit dem Michael Heitzler’s Klezmerband an diesem Abend aufwartete, stammte zum Teil aus einer Sammlung des ukrainischen Musikforschers Moyshe Beregovsky, der in den 1930er und 1940er Jahren, wie Heitzel erläuterte, ähnlich wie Bartók und Kodály die Musik der ländlichen Gebiete der Ukraine aufnahm und dokumentierte. Viele Klezmermusiker wurden in Osteuropa geboren und wanderten dann in die USA aus, wo sie neue Einflüsse, etwa aus dem Jazz, in sich aufnahmen. Zu denen gehörten Dave Taras und Naftule Brandwein, deren Musik Heitzler an diesem Abend bevorzugt präsentierte, auch die Epstein Brothers, über die Stefan Schwietert 1996 den Dokumentarfilm „A Tickle in the Heart“ gedreht hat.
Faszinierend war die stilistische Gratwanderung zwischen Klezmer und Jazz, die die Musiker in der Zehntscheune gemeinsam in der ersten der beiden Zugaben unternahmen: Sie ließen den Benny-Goodman-Klassiker „And the Angels sing“ – geschrieben von Trompeter Ziggy Elman – in einem klassischen Klezmersound starten und wechselten, als ob nur ein Schalter umgelegt worden sei, in den Swing der 1940er Jahre, bei dem Heitzler in seinen Klarinettensoli den echten Goodman-Sound auferstehen ließ.
Heitzler unterscheidet sich übrigens fundamental von Giora Feidman. Beide können wunderbar Klarinette spielen, keine Frage. Aber während Feidman sich in seinen Auftritten gern der Musik bedient, um seine Kunst zu zeigen, nutzt Heitzler seine Kunst, um dem Publikum die Musik auf das Schönste nahezubringen. Das ist ihm und seinen drei Kollegen an diesem Abend vortrefflich gelungen – wofür sich das Publikum mit kaum enden wollendem Applaus bedankte.