In der Familienproduktion vor Weihnachten hat sich das Deutsche Theater Göttingen der berühmten Geschichte über den König der Diebe angenommen. John von Düffel bringt mit seiner Version einem jungen Publikum nahe, wie das mit der Ungleichheit eigentlich ist und wie man ihr mit vereinten Kräften entgegentreten kann. Sein »Robin Hood« erzählt vom Wert der Freundschaft und dem Mut der Kinder, für eine bessere Zukunft einzustehen. Die Premiere hat Kulturbüro-Autorin Tina Fibiger besucht.
Im Bühnenwald des Deutschen Theaters lässt es sich aushalten. Wo die Bäume Namen haben und gute Geister sich in vielfarbigen Baumwipfeln und verschlungenen Astlöchern eingenistet haben, lässt sich auch Robin Hood gern abenteuerlich beflügeln. Irgendwer muss schließlich den gierigen Sheriff von Nottingham aufhalten, der die Bevölkerung mit unvorstellbar hohen Steuern drangsaliert. In diesem Geisterwald trifft er schon bald auch auf mutige Gefährten und vor allem auf Freunde, die ihm hilfreich zur Seite stehen, um seine Idee in die Tat umzusetzen: Den Reichen zu nehmen und den Armen zu geben und so für eine gerechte Umverteilung zu sorgen. So begeistern sie in der Inszenierung von Selins Girschweiler auch das junge und jung gebliebenes Publikum in John von Düffels Bühnenfantasie über den sagenhaften Helden von Sherwood Forrest.
Mit Fantasie und mit Theaterzauber (Bühne: Mara Zechendorff) kann der der richtige Pfeil sein Ziel erreichen, während der falsche einfach daneben gehen muss. Ob sich die Geschichte um den König der Diebe allerdings so abgespielt hat oder ganz anders, steht auf einem anderen Blatt. In diesem Sinne hat sich auch John von Düffel mit viel Fantasie inspirieren lassen und für die Bande der „Vogelfreien“ nach besonderer Verstärkung Ausschau gehalten. Davon erzählt auch Michael Frei, der die Geschichte wie ein Troubadour musikalisch und in Versen mit Gitarren, Flötentönen, Trommeln und atmosphärischen Sounds begleitet.
Robin Hood (Leonard Wilhelm) kann mit dem Müllergesellen Mitch (Nikolaus Kühn) auf einen Freund vertrauen, der ihm auch dann noch Mut macht, wenn die Dinge nicht zum Besten stehen und der ihm auch gerne widerspricht, wenn Gefahr droht, um sich vorübergehend in Sicherheit zu bringen. Statt Little John als kampferprobtem Gefährten punktet jetzt Joanna Little (Tara Helena Weiß) als kluge und ebenso treffsichere Räuberin, gegen die auch die beiden Diebe Glenn (Yannik Heckmann) und Scarlett (Marie Seiser) keine Chance haben, wenn sie über die weibliche Verstärkung maulen und als räuberische Gierschlunde schon bald aus dem freundschaftlichen Bündnis vertrieben werden. Der legendäre Bruder Tuck (Andreas Jessing) darf im Kampf gegen den Sheriff und seine Schergen Large und Extra-Large (Marie Seiser und Yannik Heckmann) wiederum nicht fehlen, ebenso wenig wie die königliche Marian (Stella Maria Köb), in die sich der treffsichere Bogenschütze verliebt. Die lässt sich auch gern umschwärmen, selbst wenn sie von ihrer argwöhnischen Gouvernante (Andreas Jessing) ständig ermahnt wird. Aber wenn es um gemeinsame Ideale, Vertrauen und Solidarität geht, zeigt sie sich couragierter als der idealistische Freiheitskämpfer, wenn der trickreiche Sheriff (Marie Seiser) dessen Ideale zu korrumpieren hofft.
In dieser Theaterfantasie zeigt sich auch, dass das Räuberleben nicht nur abenteuerlich beflügelt, weil es um die gute Sache geht. Bei frostigen Wintertemperaturen bibbern die Vogelfreien, denen es mit knurrendem Magen manchmal schwerfällt, auf die Beute für die Armen zu verzichten, die mindestens genauso hungrig sind. Zum Glück lugt mal wieder ein Wildschwein aus einer Luke im Bühnenboden hervor und dann wird freundschaftlich geteilt, egal, wem die Beute zusteht. Und wenn sich das Leben im Geisterwald wieder von seiner freundlichen Seite zeigt, lassen sich raffgierige Händler und Kaufleute wieder um ihre versteckten Gewinne erleichtern. Die dürfen sich dann bei den armen Bauern mit echter Arbeit nützlich machen, während im Räuberlager Bettler-Bank und Armen-Bäckerei florieren.
Jetzt muss allerdings noch der beste Bogenschütze gekürt werden und die endgültige Niederlage des Sheriffs erkämpft, dessen Spione das Lager enttarnt haben. Und wieder müssen die bunten Pfeile nicht von selbst fliegen, wenn die Bögen gespannt sind. Sie werden von den SchauspielerInnen durch die Luft geflogen und natürlich nicht alle in die Zielscheibe versenkt, weil der entscheidende Treffer Robin Hood gebührt, der am Ende eine letzte Bewährungsprobe für das freundschaftliche Räuberbündnis und seine Ideale meistert. Ein begeistertes Publikum feiert das Bühnenabenteuer mit Robin Hood und seinen Gefährten.