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Hartmut Hombrecher und Inger-Maria Mahlke im Literaturhaus Göttingen | © Photo: Bode
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Literarisches Zentrum

Liebe zum Detail

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Lesung von «Unsereins» mit Inger-Maria Mahlke im Literaturhaus
von Miriam Bode, erschienen am 16. September 2024

Alle guten Dinge sind drei und so konnte die Lesung von «Unsereins» mit Inger-Maria Mahlke nachdem sie zweimal krankheitsbedingt abgesagt wurde, schließlich beim dritten Versuch stattfinden. Trotz der mehrfachen Verschiebung ist das Literaturhaus voll besetzt. 

Die Moderation des Abends übernimmt der Literaturwissenschaftler Hartmut Hombrecher. Er und Inger-Maria Mahlke teilen die Verbindung zu Lübeck, die Stadt, in der «Unsereins» spielt. Beide sind zur selben Schule in Lübeck gegangen, die Schule, die im Roman «Die Anstalt» genannt wird und so wird bereits zu Anfang eine stimmige Verbindung zwischen Moderator, Autorin und Roman hergestellt. 

Der Roman erzählt von der Familie Lindhorst, von Dienstmädchen und von Schuljungen. Er gibt einen reichen Einblick in die Welt der Kaufmänner und Senatoren Ende des 19. Jahrhunderts und zeigt eine antisemitische Gesellschaft. Immer wieder sind Parallelen und Bezüge zu Thomas Manns «Buddenbrooks» zu erkennen. 

Mahlke und Hombrecher sprechen daher auch über Thomas Mann. Mahlke berichtet davon, dass sie die antisemitischen Darstellungen in den «Buddenbrooks» so unpassend für Mann findet, der sonst so komplexe Charaktere schafft. Sie nennt ihn ein Kind seiner Zeit und der Gesellschaft, in der er aufgewachsen ist und bezeichnet die «Buddenbrooks» als Ausgangspunkt ihres Romans, der im Grunde ein Roman über die Entstehung eines anderen Romans sei. An ihren Worten ist zu erkennen, wie sehr sie sich mit Thomas Mann beschäftigt hat und auch an den mehreren Textstellen, die sie vorliest, hört man die Liebe zum Detail und die intensive Recherche, die dem Roman vorangegangen sein muss. 

Es ist ein historischer Roman, der oft auf realen Personen basiert, und Mahlke erzählt, welche Nachforschungen sie dafür unternommen hat. Sie sagt, dass sie in vielen Archiven war, darunter vor allem das Leipziger Stadtarchiv, in denen sie Briefe und Familienchroniken gelesen habe, die zum Teil schwer zu verstehen und dessen Inhalt zum Teil sehr erschütternd gewesen sei. Sie habe nicht alle Dinge in ihrem Roman aufgenommen, berichtet sie. Und offen und ehrlich erzählt sie auch, dass sie bedauere, nicht strenger mit sich gewesen zu sein und die Figurenanzahl gekürzt zu haben. Sie habe das Gefühl gehabt, allen Figuren bzw. den realen Personen, auf denen sie basieren, gerecht werden zu wollen, gibt aber zu, dass sie nicht glaube, dass völlig geschafft zu haben.

Auch erzählt sie, warum sie gerade diese Figuren ausgewählt habe – keine Adeligen, über die, die Recherche viel leichter gewesen wäre. Mahlke fand es absurd, dass es kaum bis keine Informationen und Originalquellen aus der Sicht der Dienstleute gibt. Sie haben ein Drittel der Bevölkerung ausgemacht, und man wisse praktisch nichts über sie. In ihrem Roman versucht Mahlke, das zu ändern und eine Geschichte zu erzählen, wie sie sich tatsächlich zugetragen haben könnte. 

Mahlke und Hombrecher sprechen auch über die Entstehung des Romans. Mahlke erzählt, sie selbst gehe beim Schreiben nicht chronologisch vor, stattdessen schreibe sie das, was ihr gerade richtig erscheine, auch wenn es an einer ganz anderen Stelle im Buch steht. Manchmal seien das nur einzelne Sätze oder Details und scherzhaft nennt sie sich selbst einen Alptraum für jeden Lektor. Auf die Frage, warum Mahlke einen Roman und kein Sachbuch geschrieben habe, antwortet sie mit zwei Gründen. Zum einen habe die Form des Romans ihr die Möglichkeit gegeben, Lücken zu füllen und so eine emotionalere Verbindung zwischen Lesenden und Figuren aufzubauen. Zum anderen, sagt Mahlke ganz pragmatisch, sei sie keine Historikerin und hätte keinen Verlag für ein historisches Sachbuch gehabt. Die Mischung aus Ernst und lockerer Ehrlichkeit machen sie sehr sympathisch, und trotz der ernsten Themen lacht das Publikum viel. 

Wenn Mahlke redet und vorliest, sieht man ihr das Interesse am Thema und die Leidenschaft, die sie für ihre Figuren empfindet, an. Beim Vorlesen wippt sie mit dem Kopf, gestikuliert mit den Händen und betont jede einzelne Silbe. Es ist eine ungewöhnliche Art, vorzulesen, aber nicht unangenehm. Immer wieder streut sie Humor ein, der auch im Roman zu erkennen ist, der den Abend und das doch schwere Thema des Romans leichter zu verdauen macht. 

Trotz der mehreren Verschiebungen und der Tatsache, dass die Lesung an einem Freitag, den 13. stattfand, war es eine sehr schöne Lesung. Für diejenigen, die das Buch kannten, war es interessant, Hintergrundinformationen zur Entstehung zu erhalten und mehr über die Personen, auf denen die Figuren basieren, zu erfahren. Denjenigen, die den Roman vorher nicht gelesen hatten, wurde ein sehr guter Einblick in das, was sie zu erwarten haben, gegeben. Insgesamt war es für alle ein bereichernder Abend. 

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