Was verbindet Domenico Scarlatti, Georg Friedrich Händel und Johann Sebastian Bach miteinander? Alle wurden im Jahr 1685 geboren. Dann beeinflusste Scarlatti Johann Sebastian Bachs Kompositionen mit seinen „Essercizi“ von 1739. Darüber hinaus fochten Scarlatti und Händel einen legendären musikalischen Wettkampf aus im Haus des Kardinals Ottoboni 1707. Und nicht zu vergessen: Alle Musiker vereinen sich in dem fesselnden Cembalo-Spiel von Pierre Hantaï!
Der französische Musiker zählt zu den großen Cembalo-Virtuosen unserer Zeit. Im Rahmen der Händel-Festspiele beehrte Pierre Hantaï am 19. Mai die Aula der Universität Göttingen mit dem Stiftungskonzert »Generation 1685 «. Neben 6 Sonaten von Domenico Scarlatti (1685-1757) präsentierte Hantaï mit seiner französischen Eleganz Händels „Suite d-Moll (HWV 436)“ und Bachs „Parita Nr. 6 e-Moll (BMV 830)“. Besonders in den ersten Scarlatti-Sonaten entfesselte er seine Virtuosität auf dem Cembalo. Mit einer Mischung aus französischer und spanischer Grazie spielte er sehr schnelle und rasante Melodien und schmückte diese mit extravaganten Verzierungen aus. Aufgrund seiner Reisen durch Spanien nahm Scarlatti Züge spanischer Volksmusik und Tanzformen auf und integrierte diese in seine Kompositionen. Hantaïs Finger hüpten blitzschnell auf den Tasten rauf und runter und das spanische Feuer in Scarlattis Werken kam damit voll zur Geltung! Man merkt, dass Scarlatti einer von Hantaïs Lieblingskomponisten ist, denn den Spirit seiner Werke fängt er voll und ganz ein. Egal ob Dur oder Moll, Scarlattis Sonaten haben im ersten Teil einprägsame Motive, die oft im zweiten Teil wiederkehren, während die harmonische Textur dicht ist und in weit entfernte Tonarten führt. Natürlich weiß Hantaï, wie er diese Motive und Textur verarbeiten muss und fügt noch seinen eigenen Touch hinzu.
Auch bei Händel und Bach weiß der französische Cembalist genau, was er tut. Schwungvolle, eingängige Melodien erklingen, als er Händels Suite d-Moll spielt. Im Gegensatz zu Scarlatti weist Hantaï hier eher ausgewogenere Tempi und subtil ausgewählte Verzierungen auf. Seine gespielten Kadenzen und der feierliche ³/₂-Takt laden natürlich trotzdem zum Tanzen ein. Nicht umsonst stellt Hantaï hier eine Allemande und Sarabande vor, höfische Schreittänze und Tanzformen der Barockmusik.
Mit Bachs „Parita Nr. 6 e-Moll“ bildet Hantaï einen Kontrast dar zum vorherigen Programm. Ziemlich langsame, tiefe Motive erklingen, die für eine leicht düstere Stimmung sorgen, gefolgt von hektischen, rastlosen Klängen. Das Werk beginnt und endet mit zwei besonders ehrgeizigen kontrapunktischen Sätzen. Aber auch hier weiß Pierre Hantaï, wie er mit Bachs Komposition umzugehen hat. Auf den Tasten seines Cembalos spielt er die kühnen und dramatischen melodischen Verzierungen aus der Allemande und Sarabande und bringt die kontrapunktischen Sätze mit seinen hin und her hüpfenden voll zur Geltung.
Pierre Hantaï stellte am vergangenen Sonntagvormittag seine herausragenden Qualitäten als Cembalo-Virtuose unmissverständlich unter Beweis. Auch das Ambiente der Aula mit seinen wunderschönen Gemälden und seiner beeindruckenden Architektur trug viel zur höfischen Atmosphäre bei. Gepaart mit den hervorragenden Klängen des Cembalisten war das Stiftungskonzert ein wahres Fest für die Sinne. Anschließend hatte man noch die Gelegenheit, zu einem Glas Wein den sympathischen Musiker näher kennenzulernen beim „Meet the Artist“.