Die Flötistin Bettina Bormuth | © Photo privat
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Wege zur Musik

Man ist in der Tiefe der Seele unterwegs

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Im Gespräch mit GSO-Flötistin Bettina Bormuth
von Christiane Goos, erschienen am 18. Juni 2020

In der neuen Reihe "Wege zur Musik" stellen wir Musikerinnen und Musiker in Göttingen vor. Den Anfang macht Kulturbüro-Autorin Christiane Goos, die in der ersten Folge Bettina Bormuth, Flötistin des Göttinger Symphonie Orchesters, vorstellt.

„Ursprünglich wollte ich eigentlich Geige lernen“

Zunächst hatte es ihr ja eigentlich die Geige angetan, als ihre Eltern sie in ihrem Wunsch bekräftigten, ein Instrument zu erlernen, verrät Bettina Bormuth in unserem gemeinsamen Gespräch, war es doch ein Instrument, das ihr im Alter von 5 Jahren zunächst viel bekannter und auch präsenter war als die Flöte. Inzwischen begeistert die Flötistin seit fast 24 Jahren gemeinsam mit dem Göttinger Symphonie Orchester in zahlreichen Konzerten.

Der Weg zur Musik

Geboren und aufgewachsen ist die Musikerin in Annaberg-Buchholz im Erzgebirge. Eine intensive Verbindung zur Musik entwickelte sich schon in frühester Kindheit durch die Leidenschaft ihrer Eltern für klassische Musik und Chorgesang. Ihr anfänglicher Wunsch, Geige zu lernen, den die Eltern sehr förderten, kehrte sich schnell zugunsten der Flöte um. Die Flötenlehrerin in der musikalischen Früherziehung habe ihr so gut gefallen, dass sie unbedingt von ihr unterrichtet werden wollte. So begann Bettina Bormuths Weg in die Welt der Musik zunächst mit der Blockflöte und setzte sich fünf Jahre später mit der Querflöte fort. Zur Musik fanden auch ihre drei Geschwister: Ihr älterer Bruder,  der sich dem Klavierspiel widmete und später Klavier und Musikwissenschaften studierte und ihre beiden Schwestern, die bald mit Geige und Cello folgten. Bettina Bormuths Eltern, die beide als Allgemeinmediziner in ihrer eigenen Praxis arbeiteten, förderten ihre Kinder sehr in ihrem musikalischen Werdegang, jedoch ohne das Ziel, ihren Weg in eine berufliche Dimension zu lenken. Damit, dass gleich alle vier Kinder Musiker werden würden, hatten sie nicht gerechnet, aber es erfüllte sie mit Stolz.

Ausbildungsjahre und prägende Erlebnisse

Als Kind habe sie wie ihre Eltern Medizin studieren wollen. Ihre Leidenschaft für die Musik ließ in ihr jedoch immer mehr den Wunsch heranreifen, Musikerin zu werden. Nach fünf Jahren an der Musikschule in Annaberg-Buchholz spielte sie im Alter von 11 Jahren an der Spezialschule für Musik der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin (dem heutigen „Carl Philip Emanuel Bach - Musikgymnasium“ in Berlin) vor, einer der insgesamt vier Spezialschulen für Musik, die den Hochschulen für Musik in der DDR vorangingen und junge Musiktalente auf ein Studium vorbereiten und fördern sollten. Ausbildungsplätze in diesen Schulen waren sehr begehrt und begrenzt, aber zu damaliger Zeit in der DDR fast unabdingbar, wenn man eine musikalische Laufbahn anstrebte und die Möglichkeit eines Studiums an einer Musikhochschule wahrnehmen wollte. Es waren keine leichten Jahre, weit weg von zuhause, getrennt von Eltern und Geschwistern. Oft war Bettina Bormuth die Einzige, die am Wochenende nicht nach Hause fahren konnte, weil der Weg von Berlin in ihre Heimat zu weit war, erzählt sie. Nach vier Jahren wechselte sie für die letzten beiden Schuljahre an die Dresdner Spezialschule für Musik und wurde Schülerin von Prof. Arndt Schöne. Bei ihm studierte sie anschließend auch fünf Jahre an der Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber“ Dresden und konnte dann noch während eines zweijährigen Meisterklassenstudiums bei Prof. Eckart Haupt an gleicher Musikhochschule ihr Flötenspiel vertiefen. Eckart Haupts Persönlichkeit und seine Art zu spielen haben Bettina Bormuth sehr geprägt und von Jugend an begeistert. Sie erinnert sich an eindrückliche Konzerterlebnisse: „Seine Klangwelt hat mich unheimlich fasziniert, weil man in seinem Ton bis auf die Seele schauen konnte.“ Sehr nachhaltige Eindrücke brachten für sie aber auch die vier Jahre Praktikum in der Dresdner Staatskapelle während des Studiums, wo sie im Orchestergraben der Semperoper mitwirkte und die Oper „als einen ganz wunderbaren, bereichernden Teil“ ihres Lebens kennen und lieben lernte.

Kurz vor Abschluss ihres Studiums im Juni 1996 führte ihr Weg sie nach Göttingen zu einem erfolgreichen Probespiel im Göttinger Symphonie Orchester, damals noch unter der Leitung von Christian Simonis, so dass sie im August desselben Jahres direkt aus dem Studium heraus im Orchester als Solo-Flötistin aufgenommen wurde.

Faszination Flöte

Es sind die vielen Klangfarben und Schattierungen, die Bettina Bormuth an der Flöte faszinieren. Die Töne seien der menschlichen Stimme dabei sehr ähnlich. Der Klang hänge nicht zuletzt mit der Befindlichkeit der Person zusammen, die sie spielt, da er direkt über den Luftstrom in die Flöte und in den Raum hineingegeben wird. So sei dieser eng mit der eigenen Person und mit den eigenen persönlichen Stimmungen verwoben. Außer der Flöte war und ist es auch die Oboe, deren Melodie und Klang sie berühren. Wäre ihr die Oboe schon in ihrer Musikschulzeit präsent gewesen, stellt sie im Rückblick fest, hätte sie sich durchaus vorstellen können, eher dieses ebenso facettenreiche Instrument zu erlernen. Beeindruckend sei insbesondere „der warme Kern“, die dunklere Klangfarbe, die Möglichkeit der schönen, berührenden, ja traurigen Melodien mit großer Tiefe. Zu „ihrem Instrument“ und zu einem großen Teil ihres Lebensinhaltes sei jedoch die Flöte geworden. 

„Ich wollte ihnen ein Stück von meiner Welt mit in ihr Leben geben“

Bettina Bormuths Alltag lässt nicht viel Raum für Freizeitaktivitäten. Entspannung findet sie jedoch bei der Arbeit in ihrem Garten, die ihr mental und physisch Ausgleich schenkt. Sie genießt dort die Stille am Waldrand, die frische Luft, den Klang der Natur und der Vögel: „Man kann dort seinen eigenen Gedanken nachgehen“. Sie erzählt von dem „Spagat zwischen Orchester und Familie“, vor allem in den Jahren, als die Kinder noch klein waren. Die ihrem Mann nach Abschluss seines Theologiestudiums zugewiesene Stelle als Pfarrer machte einen Umzug von Göttingen in das fast 100 Kilometer entfernte Bad Zwesten in Hessen, zwischen Kassel und Marburg gelegen, erforderlich. Das Pendeln nach Göttingen zu den Orchesterproben und Auftritten ließen die Tage für Bettina Bormuth sehr lang werden und die Zeit mit ihrer Familie rar, so dass es ihr in diesen Jahren sehr schwer fiel, fort zu fahren. Ihren beiden Söhnen und ihrer Tochter, die den Beruf der Mutter trotz des Zeitmangels sehr wertschätzend anerkennen, brachte Bettina Bormuth, wie damals ihre Eltern, die Welt der klassischen Musik und auch des Musizierens näher, ohne das Ziel, sie auch in beruflicher Hinsicht auf diesen Weg bringen zu wollen:

„Ich wollte ihnen ein Stück von meiner Welt mit in ihr Leben geben, weil mir Musik sehr viel bedeutet und ich wollte, dass sie, wenn sie möchten, für sich Musik machen, egal was sie später einmal sind, um ihre Stimmung aufzuhellen oder ihre Stimmung mit der Musik weiterzugeben. Ich möchte, dass sie die Musik mit in ihr Leben nehmen.“

Ihr ältester Sohn (20) widmete sich dem Klavier, ihre Tochter (18) entdeckte erst die Geige und dann die Bratsche für sich und ihr jüngster Sohn (14) das Cello. Wie ihre Mutter, entschloss sich ihre Tochter Hanna-Maria aus Liebe zur Musik für den Beruf der Musikerin. Inzwischen spielt sie zu ihrer großen Freude in der Deutschen Streicherphilharmonie. Auch Bettina Bormuths Mann ist musikalisch, er singt sehr gerne, vor allem in seinem Beruf als Pfarrer - „mit Freude und mit vollem Herzen“.  Vor allem das frühmorgendliche Singen in der Kirche schenke ihm Kraft für den ganzen Tag. Nach dem Umzug der Familie in‘s hessische Bad Sooden-Allendorf sei die Entfernung nach Göttingen zwar nicht mehr so groß, dennoch gehöre das Pendeln weiterhin zu Bettina Bormuths Arbeitsalltag, der viel Organisation erfordert. Nicht selten gäbe man sich gewissermaßen die Klinke in die Hand, aber gemeinsam schaffe man es gut. Die gemeinsame Zeit mit ihrer Familie ist sehr wertvoll.

Bereichernde Komponisten

Es sind viele Komponisten, die Bettina Bormuth bereichern: Johann Sebastian Bachs Musik schenkt ihr Kraft in jeder Lebenslage; Carl Philipp Emanuel Bach sei hingegen feiner in der Tonsprache und ließe etwas mehr Raum für eine innere flexible Klanggestaltung - „die Seele spricht etwas freier“.  Aber auch Mozart, Beethoven und Schubert, deren Literatur vor allem ihr Sohn auf dem Klavier sehr lieb gewonnen habe, bereichern sie sehr; in der Romantik der großen Orchesterliteratur sind es besonders Johannes Brahms, Tschaikowski und Antonín Dvořák sowie in der französischen Flötenliteratur Jaques Ibert und Claude Debussy.

„Es macht einfach Freude!“

Beim Spielen auf der Querflöte stehen für Bettina Bormuth weniger komplizierte Techniken oder schnelle Passagen im Vordergrund, die besondere Fingerfertigkeit zur Schau stellen. Lieber spiele sie Melodien, die Musik und Tiefe ausdrücken. Das Zusammenwirken zwischen den MusikerInnen des GSO und Chefdirigent Nicholas Milton sei eine gegenseitige Bereicherung, mit dem Hauptanliegen, den Menschen etwas zu geben und die Seele zu berühren: „Es macht einfach Freude“. Für Milton stehe der Ausdruck an erster Stelle. Sie selbst sei als Musikerin gerne „mittendrin, als Teil einer großen Musikerfamilie“. Aber auch die Kammermusik in kleinerer Besetzung und intensiver Kommunikation miteinander bereitet ihr große Freude. Als wunderbare, glückliche Momente empfand und empfindet sie es unter anderem, am Ende von Konzerten, vor denen sie besonders aufgeregt und nervös gewesen sei, im Schlussapplaus auf der Bühne zu stehen. Die Momente, in denen sie selbst und auch ihre MusikerkollegInnen zufrieden mit sich seien und man denke: „Es hat sich gelohnt“. Aber auch die Augenblicke, in denen man sich so in das eigene Spiel hinein vertiefen könne, dass man alles andere um sich herum vergisst, man ganz eins sei mit dem Instrument und mit der Musik.

Was genau bedeutet Musik für Sie?

„Die Musik ist ein Teil meines Lebens. Musik bedeutet für mich, dass man seine Stimmungen, sein Empfinden, sein seelisches Befinden preis gibt. Manchmal fällt es nicht leicht, alles von sich zu geben, aber eigentlich ist das das Ziel, um damit andere Menschen zu erreichen und ihnen auch die Welt des Empfindens und vielleicht auch das Vergessen von Sorgen zu ermöglichen und dass unser Publikum durch das eigene Preisgeben mitgenommen wird, wenigstens, wie Herr Milton es auch immer wieder in Konzerten betont, für ein paar Stunden einfach dem Alltag entrissen wird. Andererseits bedeutet es aber auch für mich, dass ich dies während des Musizierens ganz genau so erfahre. Wenn ich mit meinen Kollegen gemeinsam auf der Bühne sitze und Musik mache, ist das für mich ein Eintreten in eine andere Sphäre, auch man selbst verlässt den Alltag – man ist in der Tiefe der Seele unterwegs und erlebt selbst auch, dass man durch die Musik getröstet wird, neue Kraft bekommt. Manchmal wird man vielleicht auch seelisch aufgewühlt, aber am Ende nimmt man trotzdem etwas Tröstliches mit. Selbst Musik zu machen bedeutet zu geben und gleichzeitig auch, etwas zurück zu bekommen.“

Herzlichen Dank Bettina Bormuth für dieses persönliche und bereichernde Gespräch!

 

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