Das Göttinger Barockorchester setzte seine neue Saison mit dem verheißungsvollen Motto Himmelsblicke fort – und richtete den Blick nicht nur in den Sternenhimmel, sondern auch in die barocken Kosmen höfischer Festmusik. Zwei Werke aus dem 17. Jahrhundert, beide lange im Archivschatten, erhielten an diesem Abend eine lebendige Wiedergeburt: Herzogin Sophia Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg mit ihrer 1652 entstandenen Geburtstags-Huldigung „Glückwünschende Freüdensdarstellung dem hochgeborenen Fürsten Herrn Augusten“ sowie der italienische Hofmusiker Giovanni Andrea Bontempi mit dem „Ballet von Zusammenkunft und Wirkung derer sieben Planeten“.
Schon der Auftakt hatte besonderen Reiz: In der „Freüdensdarstellung“ stellte die Wolfenbütteler Herzogin ihre kompositorische Stimme in den Dienst der fürstlichen Repräsentation. Festlich ausgerichtet, allegorisch überhöht und zugleich überraschend lebendig erklang die Musik, die im Alten Rathaus von Kerstin Dietl (Sopran), Janno Scheller (Bass) und dem kurzfristig eingesprungenen Tenor Stephan Scherpe mit Verve und Leuchtkraft dargeboten wurde. Drei Sängerinnen aus dem Universitätschor ergänzten die vokale Besetzung, was der Huldigungskantate zusätzliche klangliche Fülle verlieh.
Mit Bontempis „Planeten-Ballett“ wurde der Rathaussaal zum kleinen Kosmos: Die sieben Himmelskörper – Sonne, Mond, Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn – traten als Figuren auf, die musikalisch, szenisch und tänzerisch charakterisiert wurden. Dabei zeigte sich, wie sehr das höfische Ballett nicht nur Unterhaltung, sondern auch eine allegorische Festarchitektur war. Wie Janno Scheller augenzwinkernd anmerkte, entspreche das Werk keinem astronomischen Weltbild – eher einem „sachso-zentrischen“.
Die Instrumentalist:innen des Göttinger Barockorchesters unter Konzertmeister Hans-Henning Vater sorgten für stilgerechten, nuancenreichen Klang. Neben den beiden Violinen von Vater und Almut Schlicker überzeugten Friederike Däublin und Laura Frey an den Gamben, Jenny Westman mit ihrem warm grundierenden Violone und Antonius Adamske am Cembalo, der zudem mit klugen Continuo-Akzenten glänzte.
Star des Abends war ohne Zweifel die Tänzerin Mojca Gal, die mit historischem Tanz, schalkhaften Gesten und ständig wechselnden Kostümen die Planeten zum Leben erweckte. Ihr Kontrapunkt war Percussionist Peter Bauer, der mit historischen Geräuschinstrumenten das Tanzgeschehen farbig begleitete und so dem barocken Festcharakter zusätzlichen Glanz verlieh.
So kurzweilig die Aufführung durch Tanz und wechselnde Gesangsbesetzungen geriet, so wünschte man sich mitunter eine bessere Textverständlichkeit – einzig Stephan Scherpe war klar zu vernehmen. Ein gedruckter Libretto-Auszug hätte hier Abhilfe schaffen können. Doch diese kleine Einschränkung schmälerte nicht den Gesamteindruck: ein ebenso lehrreicher wie unterhaltsamer Abend, der das Publikum im Alten Rathaus mit federndem Spiel, vokaler Strahlkraft und tänzerischem Esprit in vergangene Himmelswelten entführte.
Am 5. November erklingt im Alten Rathaus das dritte Saisonkonzert des Göttinger Barockorchesters. Unter dem Titel »Dem Sirius so nah« sind Werke von Purcell Händel und Gambarini zu hören. Beginn ist um 19.45 Uhr.
Am 26. Oktober ist das Göttinger Barockorchester gemeinsam mit der Schauspielerin Claudia Michelsen zu erleben: gemeinsam bringen Sie die Oper »Argenore« von Wilhelminie von Bayreuth zur Aufführung in einem Kunstwerk aus Oper und Sprechspiel. Die Veranstaltung findet im Rahmen des Göttinger Literaturherbstes statt, Beginn ist um 19 Uhr.