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Das Grieg-Quartett Leipzig in der Göttinger Corvinuskirche | © Photo: Wortmann
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Corvinuskirche

Werke der Leidenschaft

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Das Grieg-Quartett Leipzig gastierte in Göttingen
von Jens Wortmann, erschienen am 14. Oktober 2023

»Werke der Leidenschaft« war der Abend überschrieben. Zu hören waren intime Briefe, Einblicke in das Seelenleben, Emotionen - und sehr viel Leidenschaft. Diese Beschreibung klingt nicht unbedingt nach einem Kammermusikabend. Dass es unter diesem Motto einen ganz besonderen Kammermusikabend zu hören gab, dafür sorgte das Leipziger Grieg-Quartett mit Elisabeth Dingstad und Gunnar Harms (Violine), Immo Schaar (Viola) und Christoph Vietz (Violoncello) in der gut besuchten Göttinger Corvinuskirche.

Auf dem Programm standen zwei Schwergewichte der Literatur für Streichquartette: das Streichquartett Nr. 2 von Leoš Janáček mit dem Titel »Intime Briefe« und das Streichquartett g-Moll von Edvard Grieg.

Der Titel von Janáčeks kurz vor seinem Tod entstandenen Quartett ist der Ausdruck einer unglaublichen Liebesbeziehung: als 61jähriger Mann verliebte sich der tschechische Komponist im Jahr 1917 in die verheiratete, erst 25jährige Kamila Stösslová. Alle Musik, die er von da an schrieb, schrieb er für sie. Diese Verbindung war eine ganz besondere und ausschließlich platonische Beziehung. In diesem Spätwerk drückt Janáček zehn Jahre später seine Gefühle für die junge Frau unglaublich ausdrucksstark und leidenschaftlich aus.

Als sich das Grieg-Quartett mit diesem großen Komposition des 20. Jahrhunderts beschäftigte, stellte sich die Quellenlage des Notenmaterials als „desaströs“ heraus, wie Gunner Harms in seiner Einführung erläuterte: in der ursprünglichen Fassung war eine Viola d’Amore vorgesehen. Weil aber dieses Instrument sich nur schwer in die Quartettbesetzung einfügt, gab es bis zum Jahr 2010 nur Notenmaterial, in der etliche Töne dieser Bratschenstimme auf die Nachbarstimmen verteilt war. Erst jetzt gibt es die Urfassung - und damit auch die Fragestellung: „Nach welcher Fassung spielen wir?“ 

Bei diesen Überlegungen spielten auch andere Aspekte eine Rolle: Janáček war ein Sprachliebhaber, er übersetzte seine Muttersprache in seine Musik und entwickelte daraus seine ganz eigene Tonsprache. In der menschlichen Sprache werden Akzente und kleine Pausen gesetzt. Diese Feinheiten stehen aber nicht im Notentext. So haben Dingstadt, Harms, Schaar und Vietz eine eigene Fassung erstellt und sich intensiv mit dem Notentext auseinandergesetzt. „Zwischendurch habe ich auch mal geflucht“, gestand die Primaria Elisabeth Dingstadt. Aber die Arbeit hat sich gelohnt. Was in der Corvinuskirche zu hören war, war eine ungemein leidenschaftliche, packende, unter die Haut gehende und ausdrucksstarke Fassung dieses bisweilen eher sperrigen Werkes. Wer sich die Mühe macht und andere Interpretationen zum Vergleich heranzieht, wird ein komplett anderes Werk hören.

Die Mitglieder des Grieg-Quartetts vermochten es, das Publikum sofort in ihren Bann zu ziehen. Die zum Teil volkstümlichen Themen entwickeln sich im dritten Satz zu einem emotionalen Höhepunkt. Die Gemütslage eskaliert geradezu. Verzweiflung, Wut und andere Ausdrucksformen kamen zum Ausdruck.

Was für ein Erlebnis! „Man kann sich dieses Werk gut am Ende eines Konzertes vorstellen“, bemerkte Gunnar Harms. Aber: „Wir können uns nicht vorstellen, nach dem Streichquartett von Edvard Grieg ein weiteres Werk zu spielen.“

Das beschreibt das eigentlich unfassbare Programm des Abends vortrefflich. Dieses in den Jahren 1877 und 1878, also 50 Jahre früher entstandene Werk des norwegischen Komponisten ist beim ersten Eindruck vielleicht zugänglicher. Die Anforderungen an die Musiker:innen sind aber enorm: „Ich will mich durch die großen Formen kämpfen, koste es, was es wolle“ schrieb Grieg in einem Brief aus seinem „Komponierhäuschen“ am Hardangerfjord, wo er seine Schaffenskrise überwinden wollte.

Und in der Tat, große Formen sind dem Namensgeber des Leipziger Quartetts gelungen. Grieg, eigentlich der „Meister der Miniaturen“ gelang „eine ganz große Erzählung“, so Harms. So, wie das Werk wie aus einem Guss komponiert wurde, so wurde es vom Grieg-Quartett auch wiedergegeben. Mit geradezu atemberaubender Intensität gestalteten die Vier diese spätromantische, teilweise schon impressionistische Musik. 

Am Ende applaudierte das Göttinger Publikum „mit starken Fäusten und Getöse“ (so wie nach der Erstaufführung im Leipziger Gewandhaus). Stehend und mit zahlreichen Bravorufen wurde das Quartett bejubelt, das sich abschließend mit dem Satz »An der Wiege« bedankte. 

 

 

 

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