Hasnain Kazim, Autor und Journalist hat schon viele Orte, Länder und Städte gesehen. In seinem neuen Buch «Deutschlandtour» widmet er sich nun seinem Heimatland Deutschland. Mit dem Fahrrad ist er an Flüssen entlang durch ganz Deutschland gefahren, um sich ein Bild der Ängste, Wünsche und Hoffnungen ganz verschiedener Menschen zu machen.
Am Abend im Literaturhaus liegt Kazims Buch vor ihm auf dem Tisch, er schlägt es auf. Dann erzählt er aber mehr, als dass er vorliest. Das Buch dient ihm dabei bloß als Stütze. Er trägt nicht vor, es wirkt, als wolle er ein Gespräch eröffnen. Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, wie er mit den Menschen auf seiner Reise ins Gespräch gekommen ist. Dabei macht er Witze, bringt das Publikum zum Lachen und schafft eine offene und familiäre Atmosphäre.
In seinem Roman widmet er sich drei Leitfragen: Was ist Heimat? Warum wählen so viele Meschen rechtspopulistisch bis rechtsextrem? Und was ist eigentlich die deutsche Leitkultur, von der so viele sprechen? Seine Methode, Antworten auf diese Fragen zu bekommen, liegt darin, anderen zuzuhören und mit ihnen zu reden. Ihm ist wichtig, dass es in Gesprächen nicht bloß darum geht, den anderen zum Schweigen zu bringen.
Dabei bewegt er sich auf einem schmalen Grat, über den sich streiten lässt. Wann sollte man zuhören? Wann sollte man widersprechen? Es sind Fragen, die Kazim für sich beantwortet, auch wenn die Antwort nicht leichtfällt, auch wenn er selbst nicht immer die richtige Lösung weiß. Mit einer AfD Wählerin trinkt er Kaffee und isst Kuchen, andere AfD-Wähler:innen laufen weg, wenn er sie anspricht. So sucht er nach Möglichkeiten, Spaltungen zu überwinden und Grenzen dort zu ziehen, wo sie nötig sind.
Schelmisch, bissig und ein bisschen böse kann Kazim auch sein. So erzählt er etwa, sich zu weigern, zu gendern, wenn er bei Veranstaltungen ist, bei denen das unbedingt gefordert ist. Bei einer Veranstaltung der CSU dagegen habe er durchgehend gegendert. Diese Freude, die er dabei hat, ist erfrischend zu sehen und ist eine Möglichkeit mit schwierigen und frustrierenden Gesprächen, umzugehen.
Schließlich listet Kazim die Dinge auf, die die Menschen auf seiner Reise mit der deutschen Leitkultur in Verbindung gebracht haben: Kultur, Geschichte, Religion, das Essen und die Sprache. Eine Mischung und ein Zusammenspiel aus all diesen Dingen mache diese viel besprochene Leitkultur aus. Dabei gebe es viele Grauzonen, aber es sei auch eine Kultur, die verbindet. Eine Kultur, die Kazim mag und die ihm wichtig ist.
Kazim zögert den Abend über nicht, seine eigenen Ansichten zu vertreten, auch wenn diese vielleicht anecken. Bei den Publikumsfragen entstehen Diskussionen, mehrere Fragende widersprechen ihm und fragen genauer nach. Sie kommen nicht unbedingt auf einen gemeinsamen Nenner. Trotzdem entstehen Gespräche auf Augenhöhe und zeigen, dass es möglich ist, sich gegenseitig zuzuhören, auch wenn man nicht einer Meinung ist.
Wegen des Interesses des Publikums, den Fragen und den Diskussionen dauert die Lesung schließlich knapp zwei Stunden. Die Zuhörer:innen denken mit und so entsteht ein lebendiger und wichtiger Diskurs. Auch wenn einige Kazim nicht zustimmen, erreicht er doch, dass diskutiert wird und dass die Leute miteinander sprechen. Etwas, dass immer seltener zu werden scheint. So wird der Abend besonders bereichert durch das aktive Publikum mit Fragen und Thematiken, die zum Nachdenken, Streiten, aber vor allem zum Reden anregen.