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Literarisches Zentrum

Eine explorative Genussreise

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Lyrikfestival im Literaturhaus
von Larissa Stöpler, erschienen am 23. April 2024
Lyrikfestival im Literaturhaus | © Photo: Carlotta Verweyen

Lyrik erleben, ist wie Wein trinken. Lassen Sie diesen Gedanken sein volles Aroma entfalten, in ein paar Zeilen wird Ihnen alles klar.

Am Wochenende fand das zweite Lyrikfestival in Göttingen statt. Organisatoren waren das Literarische Zentrum und die Stiftung Niedersachsen. Am Freitagabend und Samstagnachmittag präsentierten die vier „SchreibZeit“-Stipendiat:innen Ozan Zakariya Keskinkılıç, Giorgio Ferretti, Katia Sophia Ditzler und Inana Othman der Stiftung Niedersachsen mit ausgewählten Tandempartner:innen ihre Werke. Unter dem Titel „anIgrenzen: Ausnahmezustand: Ein Lyrikspektakel“ wurde Göttingen kostenfrei eine Sinnesreise zwischen Worten, Klangmalerei, multimedialer Digitalkunst und Gebärdenpoesie geschenkt.

Im beinahe intimen Rahmen des Literaturhauses wurde das Publikum rauschhaft in die Andersartigkeit von Lyrik entführt. Die Lyriker:innen schufen in der Kürze der Zeit, eine Fülle an Transitionsexpressionen, wandelten zwischen Alternativrealitäten, steckten an mit Drang und Vehemenz und berührten tief, tief, tief mit essentiellen Bindungserfahrungen. Es ist hervorzuheben, wie gesellschaftlich wertvoll es ist, dass der Zugang zu einem Kulturerlebnis dieser Art nicht durch finanzielle Barrieren versperrt wird!

Den Veranstalter:innen und Künstler:innen ist es gelungen, Lyrik so facettenreich, nahbar und die Werke gleichzeitig als eindeutige Zeugnisse besonderer Begabung darzustellen, dass Rezipient:innen sich zur kühnen Immersion eingeladen fühlen durften.

Wie im Titel anklingend, ging es um die Auseinandersetzung mit Grenzen. Grenzen überwinden, spüren und schließlich ziehen.

Anja Utler leitete mit ihrer Lecture Performance zugänglich in den Abend ein und überwand damit die erste Grenze. Sie schaffte es, Lust zu machen, auf die Dichter:innen, die kommen würden. Außerdem- und das war grundlegend für den Verlauf des Abends- brach sie Berührungsängste zur Rezeption von Lyrik auf. Utler vermittelte eine spielerische, forschende und der Unwissenheit aufgeschlossene Manier sich auf Lyrik einzulassen. Sie stellte die Werke und Lyriker:innen „fransenhaft“ vor, was eine sanfte Brücke schuf, um mit den Inhalten oberflächlich bekannt zu werden, in die Bildsprache einzufinden und vom linearen ins plastische Denken einzusteigen. Das bildete eine treffliche Einstimmung für die folgenden Darbietungen. Gemeinsam wurde experimentiert und eröffnet, die Lyriker:innen nahmen das Publikum mit in Familienbeziehungen, (queere) Datingerfahrungen, poetische Neuerungen und eigene Gestaltungsprozesse.

Herausragend für die Erfahrung der Vielfalt von Lyrik war die Darbietung von Keskinkılıç und Eyk Kauly, die im Tandem ihre Poesie übersetzten – zwischen Lautschrift Keskinkılıçs und Gebärdenpoesie Kaulys. Ein wunderschönes Erlebnis, das Gebärdenpoesie und Inklusion in der Kunst aus dem Schatten der Branche erhob. Im Anschluss an ihre Performance unterhielten sich die Lyriker:innen mit Gebärdendolmetscherinnen über ihren gemeinsamen Prozess der Übersetzung.

Ein kurzes Gespräch, nur ein paar Minuten, aber sie erlaubten einen perspektiverweiternden Einblick in ihre Beziehung zu der Sprache des Anderen, zu dem intensiven Hineinwachsen in das wirkliche Verstehen von Poesie eines Anderen und der Intensität des Gefühls, wenn man am Ende des Prozesses wirklich verstanden hat.

An ihrem Beispiel wurde einer der großen nachhaltigen Werte dieses Festivals ausgeschenkt: Verstehen-wollen überwindet Grenzen, gerade in der Bearbeitung und dem intensiven Kennenlernen eben dieser Grenzen. Lyrik macht Räume auf, funktioniert 3-dimensional. Es ist ein Prozess, der Austausch, Offenheit, Interesse und Empathie braucht. Schafft man es, sich trotz sprachlicher Hürden, die für Nicht-Lyriker:innen ja auch durchaus schon in der deutschen lineargeschriebenen Lyrik bestehen können, sich auf die Vielfalt des Poesieangebots eines Werkes einzulassen, mit ihm in den Prozess zu gehen, zuzulassen und einzutauchen, kann am Ende ein berauschender Zustand genossen werden.

So zeigt sich: Lyrik ist wie Weintrinken. Das Fühlen der Materie erlaubt das Erlebnis vollständig wahrzunehmen. Wie entwickelt sich der Körper? Leicht, mittel, voluminös? Mit Geruchs- und Geschmackssinn lassen sich Feinheiten bestimmen, man lernt den Wein vom Großen ins Kleine kennen. Über die sinnliche Erfahrung erschließt sich das Produkt, erschließt man im eigenen Erkundungsmodus den tatsächlichen Hintergrund.

Wahre Kenner:innen zeichnen sich durch eine feinfühlige Offenheit für die sensiblen, teils flüchtigen Komponenten des Weins aus. Das zweite Göttinger Lyrikfestival „anIgrenzen: Ausnahmezustand: Ein Lyrikspektakel“ bot den Gästen die Chance auf genauso eine explorative Genussreise.

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Larissa Stöpler

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