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GSO

Orchestrale Klänge treffen auf moderne Poesie

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»Slam Symphony« im DT
von Keanu Demuth, erschienen am 14. März 2024
© Manga von Keanu Demuth

Klassische Musik und moderne, zeitgenössische Dichtkunst. Kann das funktionieren? Lassen sich beide Welten miteinander vereinbaren? Die Antwort auf diese Fragen bekamen die Zuschauerinnen und Zuschauer am vergangenen Sonntag bei der »Slam Symphony« im Deutschen Theater. Unter der Leitung von Christian Dellacher spielte das Göttinger Symphonieorchester (GSO) ausgewählte klassische Stücke von Rossini bis hin zu Bach und Beethoven.

Allein die virtuose und fantastische Spielweise des GSO war schon ein besonderer Genuss für die Ohren. Diese Klänge gepaart mit der modernen Sprachkunst von drei wortgewandten Poetry-Slammern erzeugte schließlich ein ganz und gar außergewöhnliches Klangerlebnis. Die drei bekannten Poetry Slam-Dichter Sulaiman Masomi, Dalibor Marković und Tanasgol Sabbagh waren auf der Bühne und unterlegten die Musik des GSO mit Dichtungen, die ihr Leben als Menschen mit Migrationshintergrund widerspiegelten.

Dirigent Christian Dellacher und Dramaturgin Barbara Volkwein sind bekannt für ihre Crossover-Formate von verschiedenen musikalischen Stilen und Disziplinen. Auch wenn der Mix vorerst etwas gewöhnungsbedürftig erscheint, ist das Konzept der »Slam Symphony« ziemlich genial: Durch diese Fusion konnten Dellacher und Volkwein sowohl langjährige Liebhaber:innen klassischer Musik als auch junge Menschen, die vorher noch nicht so viel Kontakt mit Beethoven und Co. hatten, in den Saal des DT locken. Manche Stücke, wie eine Ouvertüre Rossinis, standen für sich und schufen so ein angenehmes, vertrautes Gefühl am Anfang des Konzerts. Zu weiteren klassischen Meisterstücken rezitierten die Slampoet:innen dann sehr persönliche Dichtungen und kreierten damit lebendige Narrative. Dazu dienten manche Texte als stimmungsvolle Übergänge von einem musikalischen Werk in das nächste.

Für einen opulenten Auftakt in den außergewöhnlichen Konzertabend sorgte das GSO mit Gioachino Rossinis Ouvertüre von »La Gazza Ladra« (die diebische Elster). Der eindrucksvolle Trommelwirbel leitete perfekt in die festliche Stimmung ein. Die Streicher setzten anschließend mit einer schnellen aufregenden Melodie ein, die daraufhin von den Flöten imitiert wurde. Vor allem die Violinisten überzeugten hier bereits mit ihrer energievollen Performance. Daraufhin setzte ein zweiter Trommelwirbel ein, der bereits auf ein eindrucksvolles Crescendo vorbereitete. Alle Stimmgruppen wurden auf einmal immer lauter und erzeugen damit ein wahrhaft majestätisches Erlebnis! Das Highlights dieses Einstiegs vom GSO war aber gewiss der weltberühmte Walzer-Abschnitt, der wirklich zum Tanz und Mitwippen aufforderte. Der im Walzertakt komponierte Abschnitt wurde besonders getragen von der schönen Melodie der Flöten und den schwungvollen und immer lauter-werdenden Geigen. Ein musikalisches Feuerwerk ertönte mit dem abschließenden Crescendo als die Streicher mit ihrem extrem-schnellen, abgehakten Spiel nicht mehr zu stoppen waren und die erhaben-klingenden lauten Blechbläser einsetzten. Alle Stimmgruppen spielten zusammen unisono, wurden daraufhin immer lauter, rasanter, dramatischer und brachten den Einstieg in die »Slam Symphony« zu einem ehrwürdigen lauten Ende. Dieser Auftakt war gewiss eines der großen Highlights des Abends.

Daraufhin trug Dalibor Marković einen interessanten Poesie-Mix vor, eine Mischung aus Spoken-Word-Lyrik und Beatboxing, die seinen Alltag und seine Hindernisse im Leben beschrieben. Für frischen Wind sorgteder deutsche Dichter mit kroatischen Wurzeln, als er die Melodie von Beethovens „Für Elise“ im Beatbox-Stil imitierte und dazu die Verse „Zinsen, Zinsen, Pleite, Bankrott“ sang. Seine hippe Neuinterpretation machte viel Eindruck beim gesamten Publikum.

Markovićs Part leitete in den nächsten musikalischen Act ein: Das GSO spielte Sätze aus Elena Kats-Chernins »From Anna Magdalena's Notebook (after J.S. Bach)«. Bei dem ersten Satz „Polonaise 1“ trat die Slampoetin Tanasgol Sabbagh als Erzählerin auf die Bühne. Während schnelle Geigen in mittlerer Lautstärke spielten und mit einer eingängigen Melodie eine rastlose, angespannte Atmosphäre schufen, führte die gebürtige Iranerin einen dramatischen Monolog. Sie fragte sich: „Wie lange kann ein Körper das ertragen, aushalten?“ Dazu zupften die Cellisten einzelne Saiten. Die hohen Töne, die durch das Zupfen entstanden sind, erhöhten die Spannung und verstärkten das unbehagliche Gefühl kreiert durch die Violinen und Sabbaghs Textunterlegung. Einerseits komplimentierte Tanasgol Sabbaghs Erzählung die gespielte Musik des Orchesters, anderseits untermalte das GSO die Worte der Poetin. So wurde eine gelungene Symbiose zwischen orchestraler Musik und Dichtung geschaffen.

In dem vierten Satz „Menuett 1“ entstand zwischen Sulaiman Masomi und dem GSO eine ähnliche Symbiose. Die mysteriösen Worte „Ich fand mich und wurde zum Phantom“ kamen aus den Lippen des afghanisch-deutschen Dichters und Kabarettisten. Währenddessen zupfen die Streicher leise und schnell die Saiten und betonten diese geheimnisvolle Stimmung. Eine langsame, laute und romantisch-klingende Violinenmelodie setzte ein und sorgte für noch mehr Dramatik. Diese Melodie wurde besonders leidenschaftlich gespielt von der Geigerin Natalia Scholz.

Es folgte ein amüsanter Stand-Up-Comedy-Part von Sulaiman Masomi, in welchem er erzählte, auf welch interessante und lustige Weise sein Name bereits ausgesprochen wurde. Mit seinem Vortrag sorgte er für eine richtig lockere Stimmung im DT-Saal. Auch Tanasgol Sabbagh sprach über Vorurteile und gesellschaftliche Missstände wie Sexismus in ihrem Soloauftritt, machte dies aber in einem ernsteren Stil als Masomi. 

Aber auch Masomi brachte die Leute noch zum Nachdenken als das GSO anfing, Johann Sebastian Bachs berühmte »Suite (Ouvertüre) für Orchester Nr. 3 D-Dur BMW 1068 Air« zu spielen. Das großangelegte langsame und entspannende Solo der ersten Violine, welches durch die Streicher gestützt wird, ließ die Zuschauer:innen sinnieren und in Gedanken versinken. Passend dazu trug Sulaiman Masomi mit angenehmer, würdevoller Stimme ein Gedicht vor, welches wie ein Aufruf wirkte. Ein Aufruf gegen Rassismus und Ausgrenzung. „Mein Name ist Sulaiman…Deutschland du schlägst auf alles ein, Kanaken, Moslems…Du ziehst Grenzen und ich werde sie überschreiten! Ich verlier nie die Hoffnung…“ Und die Streicher verstummen langsam und bringen seinen Vortag zu einem erhabenen Abschluss.

Für das Grande Finale der »Slam Symphony« hat sich das GSO ein ziemlich dramatisches und triumphales Stück aufgehoben: Beethovens Ouvertüre zu »Egmont« op. 84. Beim Schlussakt waren hektische Streicher zu hören bis ein Trompetendonner ertönte, welcher alle von den Sitzen haute!

So haben Sie klassische Musik bestimmt noch nicht gehört! Die »Slam Symphony« schaffte es Klassik und Moderne miteinander zu verschmelzen und damit eine noch nie dagewesene Fusion zu schaffen! Besonders die Violinisten waren die Hauptattraktion aus dem GSO. Das Publikum erlebte förmlich die Leidenschaft und Hingabe der Geigenspieler:innen! Die Poetry Slam-Dichter Sulaiman Masomi, Dalibor Marković und Tanasgol Sabbagh harmonierten richtig mit den Streichern und den restlichen Instrumentengruppen und trafen mit ihren Versen den Nerv unserer Zeit. Ihre Dichtungen mit Message machten die »Slam Symphony« zu einem ungewöhnlichen, aber runden Gesamtpaket.

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Keanu Demuth

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