Willkommen im Kulturportal vom Kulturbüro Göttingen. 

Hier finden Sie Termine und Nachrichten aus dem Kulturleben der Region. Sie können sich einloggen oder neu registrieren, Ihr Abonnement abschließen oder verwalten, in dem Sie auf das Menü rechts klicken. (Die drei kleinen schwarzen Balken.)
Mit einem bezahlten Abonnement haben Sie Zugang zu allen Texten und Funktionen – und unterstützen die Arbeit des Kulturbüros.

Information
Clavier-Salon

Ein aufregender Clavierabend voller Kontraste

Information
Klavierabend mit Ruishi Zheng, China
von Keanu Demuth, erschienen am 02. Oktober 2023

Ein ausgefallenes Programm erwartete das Publikum im Clavier-Salon Göttingen: Am Abend des 29. September spielte die Beijinger Pianistin Ruishi Zheng Werke von Bach-Petri, Beethoven, Enrique Granados, Schuhmann und Nikolai Kapustin. Das Programm ist ausgefallen in dem Sinne, da Zheng Werke präsentierte, die nicht so häufig im Clavier-Salon gespielt werden und dazu noch einen stark kontrastierenden Charakter besitzen. Zhengs Konzert stellte ein Wechselbad der Gefühle dar, angenehme Gefühlseindrücke, Anmut und Schönheit wurden in Kontrast gesetzt mit Dramatik, Hektik und Ruhelosigkeit. Das Thema Kontraste zog sich wie ein roter Faden durch das gesamte Konzert. Zheng schaffte es gekonnt, diese verschiedenen Gefühlseindrücke dem Publikum zu vermitteln.

Als sanfte Einstimmung für das darauffolgende aufregende und kontrastreiche Programm spielte die junge Pianistin das Bach-Petri Stück „Schafe können sicher weiden.“ „Schafe können sicher weiden“ ist eine Sopran-Arie von Johann Sebastian Bach nach Texten von Salomon Franck. Das Stück wurde 1713 geschrieben und ist Teil der Kantate »Was mir behagt, ist nur die muntre Jagd«, BWV 208, auch Jagdkantate genannt. Eine Klaviertranskription stammt von dem niederländischen Pianisten Egon Petri und wurde 1944 veröffentlicht. „Schafe können sicher weiden“ wurde häufig auf Hochzeiten gespielt. Allerdings wurde die Kantate BWV 208 ursprünglich für eine Geburtstagsfeier von Christian, Herzog von Sachsen-Weißenfels, geschrieben. Diese feierliche Stimmung konnte Ruishi Zheng ziemlich gut transportieren. Sie spielte angemessen zart, ohne dabei die Klaviertaste zu kräftig zu drücken. Mit ihrer angenehmen Spielweise verzauberte sie das Publikum und sorgte für eine verträumte Stimmung im Clavier-Salon.

ruishi zheng650Darauf folgte dann schließlich der Kontrast zur angenehmen Arie mit Beethovens Sonate E-Dur op.109 (1820). Diese Sonate besticht besonders durch seine kontrastierenden Abschnitte. Bereits im ersten Satz Vivace, ma non troppo - Adagio espressivo stellte Zheng diese kontrastierenden Abschnitte ausgezeichnet dar. Dem lyrisch-bewegten Durabschnitt im piano und Vivace-Tempo stellte die Pianistin nach nur acht Takten ein fantasieartiges, von Arpeggien gekennzeichnetes dramatisches Adagio in Moll und im forte gegenüber. Aus harmonischer Sicht ist der Gegensatz der beiden Teile mit klarem Dur im ersten Teil und extrem gespannten verminderten Septakkordenkaum ebenfalls deutlich zu erkennen.

Zheng Hände spielten die Tonleitern rauf und runter und sie kontrastierte heitere Klänge mit schrillen schnellen Tönen. Im zweiten Satz stellte die Klaviersolistin ihr Können unter Beweis mit dem stürmischen e-Moll-Prestissimo. Das erste, hauptsächlich aus sprunghaft aufsteigenden Dreiklangstönen bestehende Thema wurde von der Künstlerin, wie im ersten Satz, durch einen schrittweise fallenden Bass gestützt und anschließend in freier Form hervorragend weitergeführt. Im dritten Satz Gesangvoll, mit innigster Empfindung stellte die Pianistin ein Thema vor mit charakterlich und klaviertechnisch unterschiedlichen Variationen. Mit seiner Punktierung und Betonung der zweiten Zählzeit hat das gesangvolle Thema einen sarabandenhaften Charakter. Durch den Nachdruck auf den Grundton E bestärkte Zheng den würdevollen und nachdenklichen Ausdruck des Stücks. Die erste Variation der Melodie ist um eine Oktave nach oben verlegt. Dadurch wirkt die Melodie leidenschaftlicher und bewegter und ähnelt der Form eines Walzers. Bei der zweiten Variation schlug Zheng ein schnelleres Tempo an und in Variation 3 wechselte sie häufig die Taktarten des anfänglichen 3/4-Taktes. Die dritte Variation ähnelt einer zweistimmigen Invention von Johann Sebastian Bach. Zheng beeindruckte das Publikum als sie das viertaktige, hauptsächlich auf Terzen aufgebaute Thema spielte, welches von einer sequenzierenden Sechzehntelfigur begleitet wird.

Daraufhin präsentierte Ruishi Zheng das Stück „Los Requeibros“ aus der Oper »Goyescas« des spanischen Komponisten Enrique Granados aus dem Jahr 1915. Die Aufführung des Stücks von Granados war eine Premiere im Clavier-Salon. »Goyescas« ist ein bedeutendes Werk der spätromantischen Klaviermusik und gilt als äußert schwierig zu spielen. Zheng hat diese Herausforderung aber mit Bravour gemeistert und hat Granados Kontrastreichtum und Gefühle sehr gut vermittelt. Sie ist gewiss eine Pianistin mit der Agilität, dem Gewicht und der Ausdauer, um sich dieser einschüchternden Musik zu stellen. Eine extrem schnelle, hohe, laute und manchmal schrille Melodie wird hierbei in Kontrast gesetzt mit einer abgehackten, langsamen tiefen und dramatisch klingenden Stimme. Blitzschnell presste Zheng die Tasten und kletterte wir verrückt die Tonleiter rauf und runter ohne dabei zu harsch oder grob zu klingen. 

Anschließend stellte die aus Beijing stammende Pianistin das Stück „Kreisleriana“ (1838) von Robert Schumann (1810 - 1856) vor. Schumann wählte den Namen „Kreisleriana“ in Anlehnung an die von E. T. A. Hoffmann kreierte Figur des Kapellmeisters Kreisler aus den Erzählungen »Kreisleriana«. Der deutsche Komponist betrachtete diese Erzählungen als Inbegriff des romantischen Künstlertums und hielt den Zyklus „Kreisleriana“ für die beste seiner Klavierkompositionen. Dieses halbstündige Werk besteht aus acht Einzelstücken und ist ebenfalls gekennzeichnet durch seinen stark kontrastierenden Charakter. Gerrit Zitterbart, Besitzer des Clavier-Salon Göttingen, erzählte, dass Schumann das Stück angeblich im Rausch und innerhalb von vier Tagen komponiert habe. 

Die acht Einzelstücken mit kontrastierendem Charakter stehen durch eine tonartliche Verwandtschaft miteinander in Verbindung. Während sechs der acht Stücke in g-Moll bzw. B-Dur stehen, sind die restlichen zwei in quintverwandten Tonarten strukturiert. Bei Schumanns Werk stabilisiert die sich zwischen den Sätzen entsprechende Rhythmik und Metrik das gesamte Konzept. Die Sätze 2, 5, 6 und 7 sind von einem punktierten Rhythmus geprägt, den die Pianistin beispielhaft spielte. In den restlichen Sätzen ist das Hauptthema auftaktig gestaltet. Durch diese Bestandteile kreierte Zheng eine Atmosphäre, die an barocke Tanzmusik erinnerte. Die Sätze 1 und 3–7 haben die dreiteilige ABA-Form, wodurch eine zyklische Geschlossenheit entsteht. Sobald sich der Zuhörer an eine angenehme Melodie gewöhnen konnte, folgte auf einmal eine sehr schnell laute und dramatische. Zheng spielte das Klavier äußert bewegt, sehr innig, mal sehr langsam und mal sehr lebhaft oder rasch und kreierte so wieder viele Kontraste.

Zum Schluss führte Zheng Nikolai Kapustins Variationen op.41 (1984) auf. Nikolai Kapustin sei ein „völlig durchgeknallter russischer Pianist,“ so Gerrit Zitterbart. Kapustin war ursprünglich ein Jazz-Pianist, der sich das schwierige Ziel setzte, Jazz-Klavierspiele in Noten umzuschreiben. In vielen seiner Kompositionen habe Kapustin „gegen den Strich“ geschrieben. Kapustins Variationen seien somit oftmals aus dem Moment geboren und er habe viele Jazz Pianisten und Stile in diesen Variationen imitiert. Zheng war großartig darin, die verschiedenen Jazz-Stile zu präsentieren wie Southern Jazz im Saloon Piano Stil oder Big Band Jazz. Oftmals ähnelte ihr Spiel an Free Jazz oder Blues. Besonders am Ende von Kapustins Stück machte Ruishi Zheng viel Eindruck mit ihrem verdammt schnellen und virtuosen Schlussspiel bei welchem sie sogar Pianisten wie Ray Charles stolz gemacht hätte. Für diesen spannungsgeladenen Schlussteil wurde Zheng vom Publikum frenetisch gefeiert.

Die 2000 in Beijing geborene Pianistin Ruishi Zheng sorgte durch ihr bemerkenswertes Klavierspiel für einen fantastischen Auftritt im Clavier-Salon. Sie schaffte einen aufregenden Clavierabend voller Kontraste. Dies lag besonders daran, dass sie auf sehr professionelle und erstaunende Weise unterschiedliche kontrastierende Gefühlseindrücke verschiedener Komponisten wunderbar und effektvoll vermitteln konnte.

Keine Kommentare

Keanu Demuth

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.