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Ernste Themen vor spartanischer Kulisse

Ferdinand von Schirach in "Regen"
Ferdinand von Schirach in "Regen" © dpa

Kommt ein Mann in eine Bar, durchnässt vom Regen, bestellt einen Drink und fängt an über das Leben zu reden. Über den Tod, die Liebe, das Unerträgliche und Schöne (wenn es das überhaupt gibt). Eine Ausgangssituation, die so in dem neuen Buch »Regen – eine Liebeserklärung« des Bestseller Autors Ferdinand von Schirach gefunden werden kann und die auch so in seinem Theaterstück, in dem er selbst als Schauspieler auftritt, übernommen wurde.

Es ist ein ganz zum Thema passender, regnerischer Samstagabend. Am 28. Oktober um 19 Uhr ist die Lokhalle ausverkauft. Ein Publikum, das jung und alt umfasst, wartete auf die Darbietung des Topstars der Literatur, der vor allem durch seine Kurzgeschichtenbände, »Verbrechen«, »Schuld« und »Strafe« berühmt geworden ist und dessen Bücher seither millionenfach verkauft und international übersetzt worden sind. Im Rahmen seiner exklusiven Premieretournee kommt Ferdinand von Schirach auch nach Göttingen, um dort Teil des Literaturherbstes zu sein, eines der größten Literaturfestivals im deutschsprachigen Raum. 

Auf der Bühne stehen einzig ein Tisch und ein Stuhl. Ein Espresso und ein eisgekühltes Wasser – leider ohne Minze – zieren noch das Bühnenbild. Als die Lichter ausgehen, wird es still. Man hört, dass jemand die Bühne betritt. Dann plötzlich gehen die Lichter an und Schirach steht auf der Bühne, beginnt sofort mit seinem Monolog. „Mögen sie Regen?“ fragt er das Publikum zu Beginn, das er jedoch während seiner Darbietung völlig auszublenden scheint, völlig konzentriert auf seine Rolle konzentriert. Seine Figur bleibt namenlos, auch der Adressat bleibt unbekannt, möglicherweise handelt es sich allein um einsame Gedanken, die dem Protagonisten in den Sinn kommen. Schirach spielt hier einen Autor, der als Schöffe berufen wurde und die Aufgabe hatte, vor Gericht mit über einen Angeklagten zu urteilen, jedoch wegen Befangenheit schließlich abgelehnt wurde. Der Fall an sich beschäftigt den Erzähler weniger, vielmehr wird er dadurch mit eigenen Erinnerungen konfrontiert, die durch den Monolog verarbeitet werden sollen.

Seine erzählerischen Fähigkeiten ziehen das Publikum in den Bann. Der nebenberufliche Jurist schafft es, allein durch seine Präsenz und seine Stimme die Besucher:innen zum Lachen zu bringen und sie in absolute Stille zu versetzen. Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass die Themen, die besprochen werden, ernster sind, als man zugeben möchte.

Vom Tod ist die Rede, von der Sinnlosigkeit des Lebens, von der unüberwindbaren Befangenheit jedes Einzelnen von uns. Eine ziemlich nihilistische Lebenseinstellung wird vermittelt, beschönigt durch die Erzählweise des Autors. Innerhalb seines Vortrages springt der Ich-Erzähler zwischen verschiedenen Themen, sodass es teilweise schwierig ist, ihm zu folgen. Zwar handelt es sich um einen Monolog, der oft durch eine fehlende Struktur gekennzeichnet ist, jedoch bleibt unklar – zumindest denen, die das Buch zuvor nicht gelesen haben – wo die Reise hingehen soll. 

Ferdinand von Schirach zeigt hier einen Menschen, der sich nichts mehr erhofft. Einen gescheiterten Schriftsteller, der seit 17 Jahren nicht mehr geschrieben hat. Er ist von Depressionen und Trauer beherrscht und zeichnet ein aussichtsloses Menschenbild, das durch fehlende Wunder und Bewunderung geprägt ist. Praktisch muss es für den modernen, ambivalenten Menschen sein, der jedoch nicht erkennen möchte, dass wir in dieser Welt fremd sind und fremd bleiben werden. Diese misanthropische Einstellung bringt Ferdinand von Schirach, so wie man es von ihm kennt, mit den richtigen Worten nüchtern auf den Punkt. 

Seine Gesellschaftskritik wirkt dagegen jedoch etwas platt und klischeehaft. Die fehlende Tiefe hängt jedoch von der Art des Monologs ab, in dem es um alles ein bisschen und um nichts so richtig geht. 

Trotz der bedrückenden und negativen Themen wird es zum Ende hin fast schon hoffnungsvoll, als der Regen im Theaterstück aufhört und der Autor beschließt, über all das, worüber er nachdachte, schreiben zu wollen. Die Begeisterung des Publikums bricht sich in großem Applaus Bahn, der auch immer wieder während des Stückes ertönt. Doch so plötzlich Schirach auf der Bühne erschienen ist, so schnell zieht er sich hinter den Vorhang zurück und beendete somit seine Vorstellung.

Abschließend lässt sich sagen, dass es sich um ein mutiges und persönliches Stück des Autors handelt, das auf der Bühne seine Bestimmung gefunden hat. Denn was auf knapp 50 Seiten in seinem Buch arg verkürzt wirkt, kann in Form dieser Darbietung auf einer anderen Ebene beeindrucken. Auch wenn es inhaltlich nicht an jeder Stelle überzeugen kann, macht Ferdinand von Schirach diese Mängel durch seine Bühnenpräsenz wieder wett. Ein einzelner Mann in einem minimalistischen Bühnenbild schaffte es, das Publikum zu fesseln. Es wird gelacht, es wird nachgedacht, es ist mucksmäuschenstill. Eins ist sicher, die Themen die behandelt werden, sind ernst und düster und werden die Zuschauer:innen noch lange beschäftigen. Doch bleibt am Ende auch die Hoffnung auf ein Zuhause, zu dem wir zurückkehren können, nachdem der Regen aufgehört hat.

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Jasmin D'Amico

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