Willkommen im Kulturportal vom Kulturbüro Göttingen. 

Hier finden Sie Termine und Nachrichten aus dem Kulturleben der Region. Sie können sich einloggen oder neu registrieren, Ihr Abonnement abschließen oder verwalten, in dem Sie auf das Menü rechts klicken. (Die drei kleinen schwarzen Balken.)
Mit einem bezahlten Abonnement haben Sie Zugang zu allen Texten und Funktionen – und unterstützen die Arbeit des Kulturbüros.

Rezensionen auf kulturbuero-goettingen.de

Dramatische Höhepunkte

Warm, sonor und wunderbar basslastig klangen die ersten Akkorde, die das Grieg Quartett in den Raum der Corvinuskirche schickte. Der helle Saal mit seiner dachartig gefalteten Holzdecke war der ideale Resonanzraum für die Spielkultur des Ensembles aus Leipzig: Der dunkle Klang mit viel Substanz und Mut zum Biss transportierte sich rund, doch immer deutlich und transparent in den Raum. So konnte das Quartett dynamisch in die Vollen gehen, ohne Abstriche bei der Durchhörbarkeit der Stimmen zu machen. Bereits auf den Tag genau vor einem Jahr hatte das Grieg Quartett in der Corvinuskirche debutiert – die Musiker scheinen den Raum ebenso zu schätzen. Persönliche Beziehungen der Musiker, die alle Mitglieder des Gewandhausorchesters Leipzig sind, zur Corvinusgemeinde ermöglichten diese glückliche Fügung für Göttingen.

Das Ensemble brachte drei Werke der Streichquartettliteratur nach Göttingen, die im Kanon großer Quartette eher am Rand stehen. Die umso lohnenswerteren Entdeckungen führte der zweite Geiger Gunnar Harms spannend ein. Die Perspektive der Musiker auf ihre gewählten Stücke bereicherte das Hörerlebnis: Nah am Geschehen der Musik lenkte Harms die Aufmerksamkeit auf die überraschenden Wendungen, zeigte zentrale Themen und musikalische Merkmale auf, die sich beim Hören als Wegweiser erwiesen. So schaffte es das Ensemble, die Neugier des Publikums auf die unbekannte Musik immer wieder zu wecken. 

Gerade die Art des ‚Lust machens‘ auf das Haydn-Quartett op. 54 Nr. 2 war ein wunderbares Beispiel gelungener Musikvermittlung. Harms hob hervor, dass unter den 68 Quartetten Haydns gerade auch unter den weniger berühmten ohne Beinamen „besondere Edelsteine“ zu finden sind. Harms half dem Publikum nicht nur, sich an den klassischen Formen entlangzuhören, die Haydn in seiner Quartettkunst so meisterlich ausführt, sondern er weckte die Aufmerksamkeit für die kleinen Unregelmäßigkeiten und Abweichungen von Erwartungen an Form und Konvention, zeigte die große Individualität in jedem von Haydns Sätzen auf. 

Dieser Individualität verschrieb sich das Grieg Quartett mit besonderer Kreativität. Die beiden Mittelsätze des Quartetts mit ihrem eigenwilligen Charakter waren besondere Erlebnisse von interpretatorischer Freiheit. Im Adagio etwa schaffte Elisabeth Dingstad an der ersten Violine die völlige Loslösung ihrer improvisiert klingenden Verzierungsmelodie in frei gestaltetem Tempo vom unbeirrt ruhig fließenden Choral der anderen Stimmen. Dabei verloren die Mitspieler nie den Kontakt miteinander. 

Diese frei bewegliche Gestaltung des Tempos kosteten die Musiker auch im Quartett-Fragment von Edward Grieg romantisch aus. Dieses unvollendet gebliebene Werk wurde ohne die von anderen Komponisten rekonstruierten Schlusssätze gespielt. Der erste Satz, angefüllt mit den schönen Melodieerfindungen Griegs, füllte eine große Ausdrucksbandbreite aus. Hier zeigte das Ensemble, dass es klanglich zupacken kann und auch nicht vor harschen Akzenten und wilden Steigerungen zurückweicht. Wie von Geiger Gunnar Harms augenzwinkernd angekündigt, trieb Bratscher Immo Schaar mit wilden Tonrepetitionen „beinahe seine Bratsche durchsägend“ das Ensemble in dramatische Höhepunkte. Jammerschade, dass Grieg die Fertigstellung des Werks vor seinem Tod nie zu Ende brachte. So endete das Quartett in zwei Sätzen mit einem lustigen norwegischen Tanz.

Jean Sibelius‘ Quartett mit dem Titel Voces Intimae erwies sich als komplexer und tiefgründiger Beschluss des Konzerts. Anklänge aus Sibelius Sinfonik wurden hörbar, etwa in den langen Entwicklungslinien schwebender Klangflächen, oder in subtilsten Verwebungen schnell hastender Noten. Doch ist das Quartett als Antithese der Quartetttradition komponiert: Als Vereinzelung der Stimmen, als Monologe, wo sich oft die Instrumente einsam gegeneinander äußern, einander ablösen, oder in nackt klingende einstimmige Melodien einstimmen. Die Beklemmung dieser „intimen Stimmen“ in ihrer komplexen, nie eingängigen Verschränkung äußerte sich auch in den vielen Abbrüchen, den unregelmäßig gesetzten Pausen und Phrasen, die nie ganz zusammenzupassen schienen. Dieses sehr anspruchsvolle Ensemblestück, das in der Anlage an die späten Streichquartette Beethovens erinnert, trug das Grieg Quartett mit großer Ausdrucksstärke und Virtuosität vor. Im zentralen und längsten Mittelsatz wurde der mystische Charakter von Sibelius musikalischer Sprache plastisch; zuletzt im Schlusssatz riss das Quartett das Publikum in einer kontinuierlich scheinenden, unwiderstehlichen Beschleunigung begeistert mit.

Bei dem Konzert am 31. Oktober 2021 in der Göttinger Corvinuskirche spielte das Griegquartett folgendes Programm:

Joseph Haydn: Streichquartett C-Dur op.54/2
Edvard Grieg: Streichquartett F-Dur op.post.
Jean Sibelius: Streichquartett d-Moll op.56 „Voces intimae“

Die Mitglieder des Quartetts sind
Elisabeth Dingstad
Gunnar Harms
Immo Schaar
Christoph Vietz

Wie vom Kirchenvorsteher der Gemeinde gesagt wollen wir hoffen, dass das Grieg Quartett die Corvinuskirche noch oft aufsuchen und Göttingen mit einem Konzert beschenken möge.

Keine Kommentare

Jens Wortmann

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.