Willkommen im Kulturportal vom Kulturbüro Göttingen. 

Hier finden Sie Termine und Nachrichten aus dem Kulturleben der Region. Sie können sich einloggen oder neu registrieren, Ihr Abonnement abschließen oder verwalten, in dem Sie auf das Menü rechts klicken. (Die drei kleinen schwarzen Balken.)
Mit einem bezahlten Abonnement haben Sie Zugang zu allen Texten und Funktionen – und unterstützen die Arbeit des Kulturbüros.

Rezensionen auf kulturbuero-goettingen.de

Einzigartiges inklusives Mehrgenerationen-Tanzprojekt

HUMAN-Tanzprojekt | © Manga von Keanu Demuth

Am Nachmittag des 18. Juni wurde die Evangelisch-reformierte Kirche Göttingen Bühne für ein einzigartiges Mehrgenerationen-Tanzprojekt: Das Community-Dance-Projekt HUMAN in Göttingen. HUMAN ist ein partizipatives und inklusives Tanzprojekt in welchem Menschen verschiedenster Hintergründe, im Alter zwischen 12 und 80 Jahren, die Orchestersuite »HUMAN« von Helge Burggrabe tänzerisch erarbeitet und auf der Bühne präsentiert haben. Im Fokus standen Menschenrechte und die elf Aspekte des heutigen menschlichen Zusammenlebens wie Grundbedürfnisse, Freiheit, Gleichberechtigung, Liebe, Heimat, Arbeit, Kreativität oder Gemeinschaft, gerahmt von den Stücken „Geburt“ und „Tod“.

Zu jedem Aspekt studierte das Team eine passende Choreografie ein: Bei dem Abschitt „Work/ Arbeit“ führten die Tänzer beispielsweise roboterartige Bewegungen mit Kisten aus, die an Maschinenarbeit erinnern sollten. Die Bewegungsabläufe und Choreografien passten perfekt zu den jeweiligen Themen und der Musik von Komponist Helge Burggrabe und stellten diese Aspekte sehr anschaulich und exzellent dar. Für die kreativen Choreografien und deren Umsetzung muss wirklich das gesamte HUMAN-Tanzteam gelobt werden. Auch die wunderbaren weißen Kostüme der Darsteller trugen viel zum Thema „Gleichheit“ und „Geschwisterlichkeit“ bei. Durch die weißen Kleider waren alle Tänzer gleich. Alter, Aussehen oder Herkunft spielten hier keine Rolle mehr, alle wurden so akzeptiert wie sie sind.

Jan Hartling-Knaak, Julia Rott und Ulrike Oerter waren für die Leitung und die Tanzproben verantwortlich. Sie sind die kreativen Köpfe der einzelnen Choreografien, aber auch die Tänzerinnen und Tänzer des Teams haben sich sehr in den Schaffungsprozess mit eingebracht. Als große Inspiration diente das „HUMAN International Culture Project.“ Zudem ist das Projekt eingebettet und vernetzt in einer für Göttingen entstandenen Reihe zum Thema „Menschenrechte.“

Vor Beginn der Veranstaltung erzählte Julia Rott dem Publikum noch einige bewegende Worte. Sie sei sehr von den Probetagen berührt gewesen. Menschen unterschiedlichen Alters, die sich vorher nicht kannten, seien sich durch den Tanz und die Musik sehr nahegekommen. Die Tänzerinnen und Tänzer des HUMAN-Teams hätten schließlich eine nonverbale Kommunikation aufgebaut. Dieses Vertrautsein durch nonverbale Kommunikation konnte man als Zuschauerin und Zuschauer durchaus sehen: Egal welchen Alters, alle Teilnehmer:innen stimmten sich perfekt ab und tanzten harmonisch miteinander. Diese Tänzerinnen und Tänzer wurden wirklich zu einer Einheit und sie wussten, was sie bei jedem Tanzabschnitt ausdrücken wollten. „Das Training war sehr intensiv,“ verrieten die Tänzerinnen Mathilda Knoblauch und Liya Wienekamp. „Wir mussten immer zehn Stunden proben und manchmal waren nicht alle Tänzer da aus Krankheitsgründen. Wenn jemand bei den Proben fehlte, merkte man dies sofort. Das war dann eine große Herausforderung, da jeder Einzelne wichtig für das Team war. Auch die Bühne war herausfordernd, da es ein kleiner Raum für viele Tänzer war. Dazu mussten wir oft aufeinander achten, da manche Tänzer:innen mehr Pausen brauchten als andere. Für manche war es physisch etwas anstrengend.“ Die intensiven Proben und die harte Arbeit haben sich aber vollkommen ausgezahlt: Schon bei dem ersten Abschnitt „Birth/ Geburt“ faszinierte das Team mit einer besonderen Choreografie: Zu angenehmen Flötenklängen führte die Tänzer sanfte und langsame Bewegungen aus. Die Kinder und jüngeren Tanzmitglieder gingen dabei unter ein Laken, dass von den erwachsenen Tänzern gestreckt wurde. Zu schneller werdenden Paukenschlägen klopften die Kinder dann unter der Decke und kamen schließlich zu der sehr lebhaften und fröhlichen Musik nach und nach aus dem Laken. Noch passender hätte das Tanzteam das Thema „Geburt“ beinahe nicht darstellen können. Der Geburtsprozess wurde somit durch das Laken und die immer schneller werdende Musik einfach und visuell schön dargestellt. Anschließend sagten die Tänzerinnen und Tänzer zueinander „du bist hier, ich sehe dich“ und fassten sich an die Schulter. Hier konnte man sehen, wie vertraut die Teammitglieder, die sich erst seit ein paar Wochen kennen, geworden sind.

In dem darauffolgenden Abschnitt „Needs“ wurde der Aspekt „Grundbedürfnisse“ wieder passend dargestellt: Zunächst stellten die Darsteller:innen das Bedürfnis, Trinken zu müssen, pantomimisch dar. Zu dramatischer Musik gingen die Tänzer:innen dann mit leichtgehobenen Händen zu den Zuschauern und machten einen „Zombie“-artigen Gang. Hier wurde gut gezeigt, dass für viele Menschen dieses Recht der Grundbedürfnisse oft verwehrt bleibt und viele wie hungrige Zombies umherlaufen und um Essen betteln müssen. Das anschließende „Liberty/ Freiheit“-Thema machte ebenfalls viel Eindruck: Zu hymnenartiger Musik liefen die HUMAN-Tanzmitglieder in verschiedene Richtungen auf der Bühne. Dies spiegelte wider, dass jeder frei seinen eigenen Weg gehen kann und soll, eine wirklich originelle Idee. In dem Abschnitt „Equality/ Gleichheit“ führten die Tänzerinnen und Tänzer langsame und geschmeidige Bewegungen zu der angenehmen Musik von Komponist Helge Burggrabe aus. Bei dieser Passage konnten die einzelnen Tänzerinnen und Tänzer ihr Können zeigen und das Publikum durch ihre einstudierte Choreografie begeistern. Zum Schluss dieser Passage hielten alle die Arme weitausgestreckt nach oben in einer kreisförmigen Formation. Diese Pose, die die Darstellerinnen und Darsteller für eine lange Zeit hielten, symbolisierte auf imponierende Weise das Thema „Gleichheit.“ Dazu wirkte die Szene wie ein Statement durch das lange Halten der Pose.

Die Tänzerinnen Mathilda Knoblauch und Liya Wienekamp beeindruckten daraufhin das Publikum in dem Stück zum Aspekt „Geschwisterlichkeit.“ Zu dramatischer Musik führten Knoblauch und Wienekamp zusammen einen „Paartanz unter Schwestern“ auf, was hervorragend das Thema „Sisterhood“ unterstrichen hat. Mit anmutigen Tanzfiguren faszinierten sie die Zuschauerinnen und Zuschauer. Nach dem „Schwesterntanz“ baten dann die anderen Tanzmitglieder sich jeweils zum Tanz auf. Hier sorgte die Technik für einzigartige Lichteffekte und Farben, die viel zu Atmosphäre beitrugen. Auch bei dem Abschnitt Liebe gab es einen romantischen Paartanz von Sandra Richter und Matthias Thorwesten, welcher das Publikum berührte. Das dramatischste aller Stücke war folglich „Home,“ welches polar komponiert wurde. Das wohlige Heimatgefühl, das durch schöne angenehme Flötenklänge kreiert wird, steht im Kontrast zu lauter und schneller werdenden Bläser, die darstellen, wie das Heim zerstört wird. Bei dieser lauten Musik warfen die Darsteller:innen Kissen brutal auf den Boden. Am effektivsten konnte der Innenraum der Evangelisch-reformierten Kirche genutzt werden bei der Passage „Work.“ Hier reichte eine Tänzerin die Arbeitskisten von der Kanzel aus zu den anderen HUMAN-Tanzmitgliedern herunter. Die erhöhte Position der Kanzel kreierte ein besonderes Bild wie bei einer Oper. Hier reichten sich die Darstellerinnen und Darsteller dann gegenseitig wie Roboter emotionslos die Kisten. Damit wurde dargestellt, wie manche Menschen wie Maschinen hart arbeiten müssen. Am meisten Eindruck machte schließlich der Abschnitt „Creativity,“ in welchem die Tänzer spezielle einzigartige Tanzbewegungen ausführten. Hier gingen die Tänzerinnen und Tänzer hoch zu den erhöhten Plätzen der Zuschauer:innen und führten ganz nah am Publikum kreative Tanzfiguren auf. Hier beeindruckte besonders Choreograf Jan Hartling-Knaak, der coole, abgehakte Hip-Hop-Tanzbewegungen in Zeitlupe ausführte. Der letzte Abschnitt „Tod“ wirkte dann wie ein trauriger, aber auch schöner Abschied, bei welchem sich die Tänzer:innen zugewunken und verabschiedet haben. Hier sorgte die Technik mit hellblauem Licht für ein himmlisches Gefühl. Bei der Zugabe zum Schluss nahmen sich die Tänzerinnen und Tänzer bei der Hand und sangen zusammen »Pace et Bene«. Der Schluss markierte nochmals die Vertrautheit, die Gleichheit, die Harmonie und den Zusammenhalt der Gruppe. Dafür wurde die Tanzgruppe frenetisch gefeiert.

HUMAN war ein einzigartiges Tanzprojekt, welches allein schon durch sein Konzept, Menschen mit verschiedenen Lebensgeschichten und Erfahrungen zu verbinden, imponierte. Mit einzigartigen Choreografien und dem besonders schönen Innenraum der Evangelisch-reformierten Kirche konnte das Mehrgenerationenprojekt auf ganzer Linie überzeugen.

Keine Kommentare

Keanu Demuth

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.