Willkommen im Kulturportal vom Kulturbüro Göttingen. 

Hier finden Sie Termine und Nachrichten aus dem Kulturleben der Region. Sie können sich einloggen oder neu registrieren, Ihr Abonnement abschließen oder verwalten, in dem Sie auf das Menü rechts klicken. (Die drei kleinen schwarzen Balken.)
Mit einem bezahlten Abonnement haben Sie Zugang zu allen Texten und Funktionen – und unterstützen die Arbeit des Kulturbüros.

Artikel über das Kunsthaus Göttingen

Ich habe nur einen Roman geschrieben

Tonio Schachinger und Joachim Dicks im Alten Rathaus Göttingen | © Photo: Wortmann

Zum zehnten Mal kam der frisch gekürte Buchpreisträger und die Buchpreisträgerin zur ersten öffentlichen Lesung nach Göttingen. Aus 172 Vorschlägen wählte die Jury den Roman »Echtzeitalter«. Dessen Autor Tonio Schachinger war am Buchmessen-Samstag Gast beim Göttinger Literaturherbst.

Zum ersten Mal allerdings war nicht Stephan Lohr vom NDR Gesprächspartner auf dem Podium. Krankheitshalber vertrat ihn Joachim Dicks, beim NDR Redakteur und Moderator für Radiokunst und Literatur.

Das Publikum in der restlos ausverkauften Halle des Alten Rathauses empfing die beiden Gäste mit langanhaltendem Beifall. „Das tut gut, mit so viel Applaus begrüßt zu werden“, merkte Dicks gleich zu Beginn an, um Schachinger gleich die erste Frage zu stellen: „Wie haben sie die ersten Tage nach der Bekanntgabe der Auszeichnung erlebt?“ „Wie in Trance“, fasste der österreichische Schriftsteller die letzten Tage zusammen. „Ich habe mit vielen Menschen gesprochen, auch mit ehemaligen Preisträgern. Einer meinte ‚Ich hoffe, Du überlebst das!‘“ Zahlreiche Interviews von morgens früh bis abends spät musste er geben – und auch ein politisches Statement zur aktuellen weltpolitischen Lage sollte er abgeben. „Es gibt offenbar hohe politische Erwartungen an den Buchpreisträger. Dabei dachte ich, es geht um literarische Qualität.“

Dann aber stiegen Dicks und Schachinger in die Themen des ausgezeichneten Buchs ein. „Ein Schulroman und ein Gesellschaftsroman“, konstatiert Dicks. Der jugendliche Protagonist, 2002 geboren, besucht acht Jahre ein Wiener Elite-Gymnasium. Doch Tills Aufmerksamkeit gilt weniger der Bildung, die ihm vermittelt werden soll. Er verschreibt sich voll und ganz dem Computerspiel, insbesondere dem Spiel „Age of Empires“. 

Mit viel Witz und Ironie beschreibt Schachinger das „Coming of Age“ des Jugendlichen. Witz und Ironie zeichnen auch sein Gespräch mit dem Moderator des Abends aus. Immer wieder entzieht er sich dem seriösen Ansatz von Dicks, die Hintergründe und Anspielungen im Roman zu deuten. Gekonnt weicht er Fragen aus – um gleich die nächsten Steilvorlagen zu bieten: er sei gar kein besonderer Computerspiel-Experte. Genauso hätte er ein Buch über die mexikanischen Schlagersänger in den 60er Jahren schreiben können.

Oder einen Roman über einen Profifußballer – wie in seinem ersten Roman »Nicht wie ihr«, den kein Verlag haben wollte, bevor er 2019 im Verlag Kremayr & Scheriau erschienen ist. Immerhin ist dieser Roman im Erscheinungsjahr bereits auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises gelangt.

Schachinger liest anregend, mit der wunderbaren Melodie des Wienerischen. „Es lohnt sich, Texte zu hören, sie Klang werden zu lassen“, bemerkte Joachim Dicks nach der ersten gelesenen Passage. 

Die Umgangssprache von Gamern ist gespickt von Anglizismen. Sie erzeugen Codes, die nur Insider verstehen. Dabei wird aber auch deutlich, wie viel Kommunikation unter den Gamern stattfindet. Sein Buch hatte entsprechend auch einen Anglizismus als Arbeitstitel: »Post Imp« war der Titel seines Manuskripts. „Aber es war klar: englische Titel sind für deutschsprachige Verlage ein No Go.“ Er sei allerdings komplett einverstanden mit dem vom Rowohlt-Verlag gewählten Titel »Echtzeitalter«.

Sich selbst bezeichnete der Schriftsteller als eher analogen Menschen. Er sei überhaupt kein Experte für Computerspiele „Ich habe nur einen Roman geschrieben.“ Dieser ist allerdings so gekonnt geschrieben, voll mit literarischen Anspielungen – und mit einem Ende, das glatt als Cliffhanger bezeichnet werden könnte. Man darf auf das nächste Werk von Tonio Schachinger gespannt sein.

Keine Kommentare

Jens Wortmann

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.