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Artikel über das Kunsthaus Göttingen

»Transformation« – Malerische und skulpturale Erzählungen

Lutz Könecke und Beate Birkigt-Quentin in der Torhaus-Galerie | © Photo: Fibiger

Am Freitag, den 22. September 2023 wurde die neue Ausstellung in der Torhaus-Galerie eröffnet. Über die Arbeiten von Beate Birkigt-Quentin und Lutz Könecke sprach Kulturbüro-Autorin Tina Fibiger während der Vernissage. Lesen Sie hier ihren Text im Wortlaut.

Heute möchte ich Sie zu einer Ausstellung begrüßen, die ich wie ein Schauspiel erlebe. Beate Birkigt-Quentin und Lutz Könecke haben die Torhaus-Galerie in eine vielstimmige Bühne verwandelt… wie malerische und skulpturale Erzählungen entfalten sich ihre Bildmotive und Keramiken, die uns in ein bewegendes und immer auch inspirierendes Zwiegespräch sichtbar hineinlauschen lassen.

Für diese Ausstellung sind sich Beate Birkigt-Quentin und Lutz Könecke zum ersten Mal begegnet. Dabei haben ihre Arbeiten so unmittelbar unerwartet zu einem gemeinsamen Dialog gefunden, auch in der scheinbaren Gegensätzlichkeit ihrer Ausdrucksformen, als ob sie sich von Anfang an zu verständigen wussten. Vielleicht nicht immer sichtbar aber dann auf eine subtile Art und Weise, bei der sich spontane Eindrücke mehr und mehr vertiefen.

Schon mit dem Titel ihres gemeinsamen Dialoges „Transformation“ verbinden sich mehrere Bedeutungsebenen. Da ist die grundlegende Veränderung, die der Begriff impliziert, die ebenso auf einen physikalischen Prozess verweisen kann wie auf komplexe Strukturen, die in der Modifikation auf ein Veränderungspotential in der Anwendbarkeit deuten. Transformation meint aber auch das Gedankenbild oder die Idee, die sich quasi materialisieren, wenn sie in einer Materialsprache zum Ausdruck kommen, in eine Form übertragen werden, anschaulich gemacht und ansprechend.  Es geht um das, was in einem handwerklich schöpferischen Prozess mit den Naturmaterialen passiert, denen Sie in dieser Ausstellung begegnen. Der Tonmasse und den Schamottspuren, den Erdfarben, Pigmenten, Basaltsplittern und Bohrkernen und wie sie uns nun berührbar zu denken geben wollen. In fließenden Farb- und Materialströmen und Verwerfungen, die scheinbar nicht zu bändigen sind, ebenso wie in den scheinbar geerdeten Keramik Gefäßen mit ihren verborgenen bewegenden Kraftfeldern.

Den Schöpfungsprozess, wie ihn Beate Birkigt-Quentin und Lutz Könecke auf ihre Weise in ihren Arbeiten bekunden, spiegelt sich für mich auch in den Versen des serbischen Dichters Miodrag Pawlovic, der sich in seiner „cosmologia profanata“ dem Schöpfungsmythos und der Urerzählung von der menschlichen Existenz widmete

… „und nach all dem Spielzeug / die Form entsteht, die rückwärtsgeht / ein wenig Gras, Rabe oder Elster/ und der Schatten des Menschen / im Sternbild des Krebses“…

Lassen Sie sich von den Verweisen auf das Gras, den Raben, die Elster und den Krebs nicht irritieren…denn es geht in diesem Fall um die Form, die rückwärtsgeht und dabei vorwärtsstrebt und im künstlerischen Schöpfungsprozess zu ihrer Essenz findet, einer Aussage, einer Bedeutung und oftmals auch zu einer erneuten Fragestellung. Das mag Sie mit Blick auf die Arbeiten von Beate Birkigt-Quentin möglicherweise verwundern, weil sie sich in ihrer malerischen Sprache den strukturierenden Formen und ihrer präzisen Vermessung verweigert, wie sie die Landschaftsarchitektin in den verwüsteten oftmals menschenleeren Erd- und Gesteinslandschaften vor allem in Äthiopien vorgenommen hat.  Dort begegneten ihr die Spuren von Klimaverschiebungen unmittelbar, die sich den Bodenerosionen ebenso abzeichneten wie in den Überschwemmungen und in den Schadstoffen, die nicht nur atmosphärisch die globale Umwelt vergiften. Dort hat ihre Bildsprache auch ihren Ursprung, wo sie die Technik der Frottage für sich entdeckte, eine Autoplane mit verdünntem Tapetenkleister einsprühte, sie gegen die Fläche drückte, die Abdruckspuren bearbeitete und nach dem Trocknen mit Farbpigmenten experimentierte und spontanen malerischen Impulsen. Davon erzählt zunächst vor allem diese großformatige Arbeit hier im Zentrum ihrer Werkschau, die ihre malerische Spurensuche mit Erdfarben und Materialien beflügelte, wie sie dabei Formen und Bewegungen entdeckte, um sie in Farbstimmungen und Strömungen fassbar zu machen, sie manchmal mit Gesteinsmehl verwebte und mit dunklem Basaltgestein und später mit kraftvollen Acrylfarbströmungen. 

Viele ihrer Arbeiten haben den Titel „Displacement“ bekommen, in dem sich das wetterwendische Klima zwischen Extremen Dürre und Überflutung in dramatischen Kollisionen auf der Leinwand mit Farb- und Geröllaufruhr spiegelt. Die malerische Fantasie imaginiert auch zarte Ornamente und filigrane Zeichen, die einander umkreisen, mit den Momenten des Innehaltens bei einem Naturschauspiel, das in seiner Schönheit intuitiv zu beleben vermochte. Sie imaginiert im schöpferischen Prozess den einladenden Torbogen, der auf eine unbekannte Weite und Tiefe deutet, die Körpersilhouette, die in ihrer bewegenden Anmut Gestalt annimmt, und auch das Aufgebot an Farbgesten, die eine strukturierende Ordnung und Halt behaupten, als ob sie den umtriebigen Farbstimmen widersprechen möchten, deren ungebändigte Energien aus vielen Bildräumen herausdrängen. 

Sie erinnern sich, ich sprach zunächst von einem Schauspiel, dass hoffentlich auch Ihnen in dieser Ausstellung begegnet, wie sich hier Bildmotive und Keramiken auch in ihrer erzählerischen Kraft bestärken. Bei so viel Publikum mag sich diese besondere Bühnenatmosphäre vielleicht nicht unmittelbar einstellen. Deshalb sollten sie sich unbedingt einen weiteren Ausstellungsbesuch gönnen und dieses Schauspiel so ganz für sich in der Stille auf sich wirken lassen. Auch mit diesen bewegenden Gestalten…so möchte ich sie gerne nennen… die Lutz Könecke aus Ton geformt hat.  

Mit Begriffen wie Kanne, Vase oder Gefäß ist im Grunde nur die profane Funktion benannt, die sich in den Formen diesen Gefäßkörper widerspiegelt. Blenden Sie jetzt erstmal alles, was mit alltäglichen Objekten und ihrem praktischen Nutzen zu tun hat, weg und hören sie in die Stimmungen hinein, die aus den scheinbar vertrauten Formen des Keramikers sprechen. Die aufrechte Haltung, die seine dunklen Gefäßkörper am Zugang zum benachbarten Ausstellungsraum bekunden, und die beschwingenden Kräfte, die dort im rundlichen Miteinander ausschwärmen. Das kann eine berührende Geste sein, die in der schöpferisch verdichteten Form auflebt und zirkuliert, auch das Moment der Kontemplation, das hier Gestalt annimmt und wie in einem Schauspiel Echoräume wahrnehmbar werden lässt. Die uns sinnlich durchdringen. 

Es sind immer mehrere Elemente, aus denen Lutz Könecke seine Gefäßkörper komponiert, wenn er vertraute Formen an der Drehscheibe formt, nuanciert und variiert und oder auch mit weiteren Formen in Beziehung setzt. Vielen gibt er Halt auf einem Podest, andere tragen die Idee eine Bodenhaftung bereits in ihrer Form, wie etwa das Gefäß, dass zum Träger für das Bündnis von zwei Schalen wird, die zu einem Kugelgeschöpf verschmelzen und mich an eine Spielfigur denken lassen.   Hinzu kommen Farbspuren und Verfärbungen, die eine präzise geformte Tonmasse erst im Brandprozess freigibt und den Künstler in der weiteren Ausformung seiner Idee inspirieren aber auch irritieren kann.  Finden die Elemente zu einem Konsens im Ausdruck und einer bewegenden Wirkung oder erst im Zusammenwirken mit Lasuren, einer farbgetränkten Spur oder einer glänzenden Umhüllung?

Anders als Beate Birgikt-Quentin, die in inspirierende Freiräume vordringen möchte und ihre Bilderzählungen mit spontanen Impulsen und Zufallsmomenten verwebt, betont Lutz Könecke das Moment der Präzision und der Kontrolle im handwerklich künstlerischen Prozess, damit er einer Idee in der materiellen Verdichtung als Keramik am Ende auch zustimmen kann. Das ist kein Widerspruch in ihrem künstlerischen Dialog wie er sich hier in der gemeinsamen Werkschau entfaltet, wo die stürmische malerische Geste auf die skulpturale Komposition trifft, die in sich zu ruhen scheint und sich dennoch als sehr gesprächig über sich und mit anderen erweist. 

Man könnte meinen, die Keramik mit der grünen Einfärbung mahnt das Grün an, dass sich aus Beate Birkigt-Quentins felsiger Landschaft nur noch ersehnen lässt, um dann die kleine grüne Insel unter einem Torbogen zu bestärken. Wo auf der Leinwand die lichten Blautöne die Gestalt beschwingender Wellen annehmen, die Melodielinien bilden könnten, erzählen die drei dunklen Gestaltkörper auf ihrem Podest auch von Anmut, Grazie und Geist und von der Schönheit im kraftvollen Gestus in der feinsinnigen Geborgenheit.  Der ozeanische Aufruhr, der aus den Blaustimmungen spricht und den Kollisionen mit Erdschichten und ihren Verwerfungen, trifft auf impulsiv leuchtende Farbkörper, die ein lichtes Bündnis in Gelb, mattem Weiß und Orange bekunden und so in den stürmischen blauen Kosmos vordringen. 

Fast hat es den Anschein, als ob die Bildmotive und die Keramikgeschöpfe einander in der Wirkung dessen, was sie zum Ausdruck bringen möchten, sogar wechselseitig transformieren. In den malerischen Unruheherden deuten sie auf die verborgen Formen, die in ihnen eingelagert sind und in den Gefäßgeschöpfen auf die bewegenden Kräfte, die in der keramischen Verdichtung pulsieren.

Genießen sie dieses bewegende Schauspiel, das sich mit den Arbeiten Beate Birkigt-Quentin und Lutz Könecke bestalten. Und halten sie Ausschau nach weiteren Momentaufnahmen in ihren vielstimmigen Erzählungen mit den sichtbaren und den verborgenen Metaphern.

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