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Albanikirche

Ein lang vergessener Schatz

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Matthäuspassion von Johann Cyriakus Kieling
von Sophia Schultze, erschienen am 05. April 2023
Chor der Einicke-Gesellschaft, Göttinger Barockorchester und Solisten unter der Leitung von Andreas Jedamzik in der Albanikirche | © Photo: Schultze

Am 1. April wurde in der St. Albanikirche in Göttingen vom Chor der Georg-Friedrich-Einicke-Gesellschaft in Zusammenarbeit mit dem Barockorchester und den Solisten Marja Weyrauch, Gundula von Arnim, Ferdinand Junghändel und Jürgen Orelly unter der Leitung von Andreas Jedamzik die Matthäuspassion von Johann Cyriakus Kieling aufgeführt. Damit wurde nach 300 Jahren ein musikalischer Schatz gehoben, die Musik wurde erstmals wieder aufgeführt.

Wer den Namen Johann Cyriakus Kieling (1670 – 1727) liest, und sich fragt, warum er oder sie diesen nicht kennt, der wundert sich zu Recht. Denn berühmt ist Kieling heutzutage nicht. Zu seiner Zeit erfreute sich seine Matthäuspassion in seinem Schaffensort, Stolberg im Südharz, jedoch großer Beliebtheit. Nachdem sie über die Jahrhunderte in Vergessenheit geraten war, wurde sie nun von Arne zur Nieden in einer Sammlung lokaler Kompositionen des 18. Jahrhunderts im Südharz, der Sammlung Bösenrode, wiederentdeckt, welche sich im Besitz des Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen befindet.

Neben Kieling seien auch noch zwei andere Persönlichkeiten zu erwähnen, die an der Erschaffung der Matthäuspassion maßgeblich beteiligt waren: Johann Georg Scharff (1661 – 1724), seiner Zeit Pastor in Kelbra, einem Ort zwanzig Kilometer entfernt von Stolberg, und Georg August Domrich (gest. 1724), Kantor unter Scharff in Kelbra. Scharff schrieb 1719, angepasst auf die von Kieling komponierte Musik, eine eigene Matthäuspassion, die um einige von Domrich geschriebene Arien erweitert wurde. Die ursprüngliche Fassung von Kieling, ist in den Sanden der Zeit verschollen.

Diese Kombination von Kielings Musik, Scharffs Texten und Domrichs Erweiterungen ergeben nun also das Werk, welches in der Albanikirche, tags zuvor in Hardegsen und am Sonntag in Stolberg zu hören war: Eine Nacherzählung der Passionsgeschichte Jesu nach Matthäus, bestehend aus Bibeltexten und eigens verfassten Arientexten, gesungen von einem gemischten Chor, vier Solist:innen und einem recht überschaubaren Orchester von zehn Instrumenten: zwei Geigen, zwei Gamben, zwei barocken Oboen, einer Laute, einem Fagott, einer Violone und einer Orgel. Die Überschaubarkeit des Ensembles ist durchaus Absicht. Komponiert wurde die Passion von Kieling nämlich spezifisch für ein kleineres, dörfliches Orchester.

Die Größe des Orchesters sagt allerdings nichts aus über die Schönheit und den Charakter der Musik. Denn Schönheit und Charakter besitzt die Passion allemal. Die Dominanz der Geigen und der Orgel und der schlichtere Charakter der Oboen und des Fagottes verliehen der Musik etwas Intimes, gänzlich im Kontrast zu Kantaten wie denen von Bach, welche geradezu pompös wirken können, was den Fokus umso mehr auf den Chor, die vier Solist:innen und den Text selbst lenkte. In Form von Arien, Chorälen und Rezitativen wurde die Leidensgeschichte Jesu vorgetragen. Es wurde singend erzählt, wie Jesus beim letzten Abendmahl das Brot und den Wein an seine Jünger verteilte und prophezeite, dass einer unter ihnen ihn verraten würde, wie Jesus im Garten Gethsemane nach dem Abendmahl betete und schließlich von Judas verraten und dort verhaftet wurde, wie ihm der Prozess gemacht wurde, wie er gekreuzigt wurde und schlussendlich starb.

Und trotz der tragischen Materie des Testes gelang es Kieling, Scharff und Domrich, den Charakter der Musik nie allzu betrübt klingen zu lassen. Die Rezitative waren inhaltlich ergreifend, die Choräle mitreißend und die Arien wunderschöne Gelegenheiten für die SolistInnen, ihr Können unter Beweis zu stellen: Ferdinand Junghänel als Tenor und Evangelist in den Rezitativen, einer der umfangreichsten Rollen der Passion, die er meisterhaft ablieferte; Jürgen Orelly als Bass und Stimme Jesu in den Rezitativen, der Orelly mit seinem kräftigen Bass Gewicht und Würde verlieh; Marja Weyrauch als Sopran und Gundula von Arnim als Alt, Letztere sowohl als Solistin als auch im Chor, welche beide mit der gleichen Souveränität wie Junghänel und Orelly sangen; die Soliloquenten aus dem Chor, deren Soli zwar kleiner, aber keinesfalls unwichtig waren; und schlussendlich der musikalische Leiter und Dirigent Andreas Jedamzik, dessen Erfahrung in der Kirchenmusik zweifellos großen Einfluss auf diese Produktion hatte. Die Leidenschaft für die Musik war bei allen Beteiligten in jedem Ton zu hören.

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Sophia Schultze

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