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„Austern, Champagner, Hummer und der ständige Kavier! Ich tue das für Euch!!“

Motivbild zum Programm »Grüne Kohle« von Chin Meyer | © Photo: Michael Holz

Heiß ist es. Wirklich heiß an diesem Samstag. Als will die Wetterlage unterstreichen, dass mit diesem Kabarettabend im Deutschen Theater (DT) der Göttinger Kultursommer beginnt. Chin Meyer, kongenial unterstützt am Flügel von Claus-Dieter Bandorf, zerpflückt in seinem Programm »Grüne Kohle« die Märchen rund ums nachhaltige Investieren in Zeiten des Klimawandels, als „Homöopath des Geldes“ passend gewandet: lindgrünes Hemd samt Krawatte, das Anzugtuch mit Dollarscheinmuster.

Angenehm kühl ist es im Großen Saal des DT, die gut 160 Besucherinnen/Besucher können von der drückenden Wärme draußen sich erholen. Für Bettina und ihren zukünftigen Ehemann wird es jedoch ein Abend zum Mitwirken... Chin Meyers Bühnenfigur parodiert in grandios überspitzter Manier den Workshopauftritt eines (selbsternannten) Börsengurus vor begeisterten Anhängern. Bettina und ihr Begleiter werden flux als jubelnde Zwischenrufer rekrutiert und „müssen“ ihr Sprüchlein wahrlich nicht nur einmal aufsagen. Überhaupt ist das Einbeziehen des Publikums eine von Meyers Stärken, es lockert das ernste Thema mehr als einmal gekonnt auf. Greenwashing, Nachhaltigkeit, Cum-Ex-Skandal, Rüstungsindustrie, Kryptowährung, Klimawandel, Beratung öffentlicher Einrichtungen durch private Firmen, Banken- & Finanzkrise – das alles garantiert ja in der Regel keine Lacher. 

Auf der schlicht schwarz gehaltenen Bühne – links der Flügel, rechts ein kleiner Stehtisch mit der bitter nötigen Flasche Wasser sowie dem einzigen Requisit des Abends (ein schwarzer Pappkasten als Aktiendepot) – spielt Chin Meyer seine Rolle als Börsenguru, der sich an den verschiedenen oben genannten Themata „abarbeitet“, konsequent; eine erfreuliche Ausnahme, dient doch in so manchem Kabarettprogramm die Rahmenhandlung lediglich als Aufhänger und ist nach 15 Minuten bereits vergessen.

In einer grünen Hochburg, Waldorfschule inklusive, über die Tricks und Kniffe des „homöopathischen Investierens“ zu philosophieren, entbehrt per se nicht der Komik. (Wobei? Zahlt meine Krankenkasse diesen pseudowissenschaftlichen Schwurbel nicht auch?). Wie man Aktienfonds in der EU hocus pocus fidibus in nachhaltige Investitionen verwandelt oder den Ausgabeaufschlag von Fonds analog zur Erstverschlimmerung einer homöopathischen Behandlung setzt, ist schwerlich unterhaltsamer in Worte zu fassen. Zudem lockern sechs thematisch passende Lieder den Vortrag auf. Claus-Dieter Bandorf übernimmt den Part am Flügel, einige Lieder werden von Bass und/oder weiteren Instrumenten vom Band unterstützt. Chin Meyer erweist sich als überaus fähiger Sänger (er arbeitete u.a. als Musicalsänger), mit einer sehr präzisen und wandelbaren Stimme, die von den Technikern des DT exzellent sekundiert wird.

Nachdem wir erfahren haben, wie man Produkte aller Arten „grün“ färbt, ist als nächstes der Cum-Ex-Skandal dran. Man erinnert sich. (Außer man war Erster Bürgermeister.) Dafür freilich heißt es Unterstützung aus dem Publikum organisieren, und so bittet Chin Meyer zwei Herren sowie eine Dame aus der U18-Ü25-Fraktion auf die Bühne, denn der „Cum-Ex-Tanz“ macht zu viert schließlich mehr Vergnügen…  und so anschaulich wie hier die Praktiken dieses Steuerbetrugs erklärt werden, versteht es jede Vorschulkindergruppe. Wahrhaft aufklärerisches Kabarett! (Die drei Mitwirkenden aus dem Publikum werden nicht nur mit reichlich Applaus, sondern zusätzlich mit einer DVD des Kabarettisten belohnt; eine sehr freundliche Geste.)

Ob Rüstungsindustrie, private Altersvorsorge, die Rolle von Vermögensverwaltern wie BlackRock samt seiner Risikomanagmentplattform ‚Aladdin‘ (kein Scherz!), die Verbandelung von Ratingagenturen/Unternehmen/Notenbanken – das bricht Chin Meyer - nach offensichtlich gründlicher Recherche; das ist kein Kapitalismusverschwörungshumorvortrag! - gekonnt ins Humoristische runter. Blödsinn inklusive: „Wenn Du alleine im Swingerclub bist, bist Du auch nur nen Wichser.“ oder: „Unser Universum wird möglicherweise von einer strafversetzten Azubi-Gottheit namens „Eberhard“ geführt, anders kann ich mir die Lage nicht erklären.“ --- Dem Kabarettisten jedoch ist es ernst. Am Ende verlässt er seine Rolle, empfiehlt Lektüre, wenn/falls man sich mit dem Thema „nachhaltiges Investieren“ ernsthaft auseinander setzen möchte, dringt mit Argumenten als Sofortmaßnahme gegen die Klimaänderung auf den eigenen, weitgehenden Fleischverzicht („Grünkohl statt grüne Kohle!“), schließlich den Wechsel zu einer nachhaltigen Bank, nur „um die anderen [Banken] zu ärgern.“

Ein bestens unterhaltenes Publikum sowie Bettina und ihr zukünftiger Ehemann werden als Zugabe mit einer dramatischen Opernarie in den Abend entlassen. Nachdem Meyer im Gespräch mit ihr ein paar Fakten über sie in Erfahrung bringt, setzen er und C.D. Bandorf diese biographischen Details in eine mehrminütige improvisierte Arie um, gipfelnd in der in bälde anstehenden Hochzeit. Völlig losgelöst vom Programm zuvor, dennoch ein großer Spaß für alle! Bettina und ihr Zukünftiger erhalten direkt nach der Vorstellung einen Mitschnitt „ihres“ Liedes.

Vom Kindervorlesesommer bis zum KWP-Festival finden Sie unter https://kultursommer.goettingen.de/ die 25 Termine des Göttinger Kultursommers. 

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Bjørn Steinhoff

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