Zum Abschluss der Fredener Musiktage 2024 standen am Sonntag noch einmal Kammermusikwerke der 1920er-Jahre auf dem Programm. Sieben Mitglieder der Camerata Freden spielten Werke von Frederick Delius, Darius Milhaud und Frank Martin: Musik jenseits der damaligen Avantgarde mit außerordentlich reizvollen Klängen. Diesen Werken begegnet man sonst im Konzertsaal kaum. Um sie ans Licht zu bringen, ist die Konstruktion der Camerata Freden ideal: Musikerinnen und Musiker, die ein hochprofessionelles Niveau besitzen und von denen die meisten bereits lange miteinander vertraut sind, können ein solches Programm in der zeitlichen wie räumlichen Konzentration der Festspieltage perfekt einstudieren.
Freden. Weil Delius, Milhaud und Martin nicht zu den populärsten Musikern des Konzertrepertoires gehören, war die Zehntscheune beim Abschlusskonzert nicht ganz gefüllt – aber am Ende waren sich alle Zuhörer einig: Sie hatten einen außergewöhnlichen Kammermusikabend erlebt. Das Konzert eröffneten Geiger Adrian Adlam und Pianist Thomas Hell mit der 1923 entstandenen Violinsonate C-Dur des Briten Frederick Delius. Das ist eine geradezu rauschhaft schwelgerische Musik, ganz im spätromantischen Geist komponiert, nicht intellektuell und kühl, sondern ganz dem Gefühl verpflichtet. Adlam und Hell gestalteten die technisch anspruchsvolle Sonate mit Leidenschaft, blendender Virtuosität und Hingabe.
In einer gänzlich anderen Stilregion ist der französische Musiker Darius Milhaud beheimatet. In seiner ursprünglich für Orchester bestimmten Ballettsuite „La création du monde“ – in der es nicht um den biblischen Schöpfungsbericht geht, sondern um afrikanische Mythen – vermeidet er jegliches Pathos. Seine geistvoll-spritzige Musik ist von Witz und Spielfreude bestimmt, und wenn er einen Satz „Fugue“ nennt, ist das nicht etwa eine trockene kontrapunktische Übung, sondern ein leichtes Spiel mit thematischen Elementen, die tatsächlich kurzzeitig durch alle Stimmen wandern, sich dann aber bald in jazzigen Rhythmen vereinigen.
Milhaud selbst hat dieses Orchesterwerk für Klavierquintett arrangiert und dadurch noch die klangliche Transparenz erhöht. Mit Marie Radauer-Plank und Hwa-Won Rimmer (Violine), Raphael Sachs (Viola) und Jonathan Weigle (Violoncello) sowie Thomas Hell (Klavier) hatte diese Musik spielfreudige, sehr präzis musizierende Interpreten, die genau aufeinander hörten und die thematischen Gewichte sorgsam ausbalancierten, dabei enormen Klangsinn zeigten und die Durchsichtigkeit der Klänge perfekt bis zum Schluss auskosteten, bei dem der wundervolle finale Akkord, in dem Milhaud als höchsten Ton die – eigentlich dissonierende – große Septime sanft aufleuchten lässt, einen ganz zauberhaften Klangreiz erzeugt.
Zwei Werke des Schweizers Frank Martin standen am Ende, zunächst ein zärtliches Wiegenlied, die „Pavane Couleur du Temps“ für Streichquintett (nun mit Hwa-Won Rimmer als Primaria sowie mit Leo Schmidt am zweiten Violoncello), dann das 1921 uraufgeführte Klavierquintett in d. Martin schreibt eine ernste, immer edle Musik, arbeitet bisweilen auch mit verzwickten Rhythmen, ist auf Wohlklang bedacht, auf Ausgeglichenheit der Affekte, die von der tiefen Wehmut des langsamen Satzes über die sanfte Heiterkeit des Menuetts bis zur sprühenden Lebhaftigkeit des Dur-Finales reichen.
Den Zuhörern hatten die Musiker einen großen Genuss bereitet, für den das Publikum mit lang anhaltendem, begeistertem Beifall dankte. Die ersehnte Zugabe begann allerdings erst nach den traditionellen Dankesworten, die Adrian Adlam am Schluss an das gesamte Team richtete, allen voran an Utz Köster, den umsichtig organisierenden Intendanten, der nach jedem Konzert in der Zehntscheune seine Musiker höchstpersönlich mit Getränken versorgt. Und Adlam beteiligte sich dann auch an der Zugabe aller Camerata-Kollegen, dem entzückenden Walzer „Lazy Night“ des englischen Unterhaltungsmusikkomponisten Eric Coates, einem elegant sich wiegenden Stück, das ebenfalls aus den 1920er-Jahren stammt. Eine perfekte Abrundung dieses wunderbaren Abends.