„Es liegt an uns!“ Unter diesem Titel organisierte das Deutsche Theater am 28. April den Aktionstag Demokratie. Die Türen waren für alle am vergangenen Sonntag offen, der Eintritt war frei. Mit dem Slogan „Es liegt an uns!“ haben die Veranstalter gewiss recht: Demokratie ist schließlich kein fester Zustand, jeden Tag müssen wir uns für sie einsetzen und unseren kleinen Beitrag leisten. Und wenn es nur darum geht, einer anderen Stimme zuzuhören und diese zu akzeptieren. Nach allem werden Demokratien mehr denn je herausgefordert, auch hier in Deutschland.
„Wir wollen einen Raum für Partizipation schaffen und Solidarität zeigen,“ erklärt Erich Sidler, Intendant am Deutschen Theater. „Wir sind ein offenes Haus. Wer kommen will ist herzlich willkommen!“ Im Zeichen der Demokratie bot das DT ein buntes Programm für jung und alt: Im großen dt.1-Saal trugen Schauspieler Texte zur Demokratie vor, im dt.x Bellevue oben gab es den Spielraum Demokratie für die kleinen Besucher oder im dt.x Keller war die Democracy Game Box, eine spielerische Annäherung an demokratische Grundkompetenzen. Auch im Bistro-Bereich gab es viel zu sehen, denn dort hatten Göttinger Initiativen ihre Stände und erzählten über ihren Beitrag für Demokratie. Mit dabei waren amnesty international Göttingen, Göttinger Bürger*innen Asyl, OMAS GEGEN RECHTS, Partnerschaft für Demokratie in der Stadt Göttingen, Youmocracy und noch viele weitere. Auch Impulsvorträge, unter anderem von Prof. Dr. Simon T. Franzmann, gaben interessante Einblicke in die Politikverdrossenheit und Demokratiebegeisterung in Niedersachsen.
Weitere Highlights waren gewiss auch die Lesungen »Geheimplan gegen Deutschland« und »… dann kann ich vielleicht wieder ruhig schlafen« – der NSU auf der Anklagebank von Dieter Schenk. In »Geheimplan gegen Deutschland« – aktualisierte Lesung der CORRECTIV-Recherche, führten uns die DT-Schauspielerinnen und -Schauspieler wie Rebecca Klingenberg oder Gerd Zinck vor Augen, wie sehr die Freiheit und Demokratie in Deutschland eigentlich auf dem Spiel stehen: Hochrangige AfD-Politiker, Neonazis und finanzstarke Unternehmer trafen sich heimlich im November in einem Potsdamer Hotel. Sie planten nichts Geringeres als die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland.
In Dieter Schenks Lesung eröffnete Darsteller Leonard Wilhelm als TV-Moderator eine fiktive Talk-Show. In dieser streiten sich Rechtsextreme mit Juristinnen, V-Leute mit Angehörigen türkischstämmiger Mordopfer, das Bundeskriminalamt mit dem Verfassungsschutz. Der Rechtsstaat gerät infolge schwerer Fehler, Versäumnisse und Geheimniskrämerei der Behörden in ein gefährliches Zwielicht. Der Thüringer Verfassungsschutz habe nämlich indirekt die rechtsterroristische Szene mitfinanziert. Über einen V-Mann soll Geld des Verfassungsschutzes an den NSU geflossen sein.
All diese Lesungen zeigen uns nochmals, dass wir unsere Freiheit und Demokratie nicht selbstverständlich nehmen dürfen! Wenn jeder achtsam und tolerant bleibt, bräuchten wir keinen Verfassungsschutz mehr, so das Schlusswort von Rebecca Klingenberg.
„Die Theaterbühne löst eine spezielle Resonanz und bestimmte Assoziationen aus. Was man auf ihr präsentiert, wird aufgewertet. Unsere Bühnen sind etwas Wertvolles und Kostbares und das müssen wir nutzen,“ erzählt Erich Sidler dem Kulturbüro. „Die Wirklichkeit ist komplex und diese dürfen wir nicht vereinfachen. Und genau dafür ist unser Theater gemacht.“ Auch Matthias Heid, Chefdramaturg beim Deutschen Theater, sieht das Theater als perfekte Anlaufstelle für Demokratie. „Das Medium Theater gibt es seit der Demokratie. Beides geht Hand in Hand. Das Theater ist ein Ort, wo sich Leute zusammentreffen und sich über gesellschaftliche Themen austauschen. Damit laden wir heute alle ein, um über Demokratie nachzudenken. Denn auch hier im Deutschen Theater haben wir viele Möglichkeiten zum Handeln. Demokratie ist kein fester Zustand. Wir dürfen unsere Demokratie nicht verspielen! Man muss etwas dafür tun!“
Auch der Impulsvortrag von Prof. Dr. Franzmann gab nochmals guten Aufschluss darüber, was Demokratie eigentlich ist. „Es ist das Versprechen auf Freiheit und Gleichheit aller. Die Akzeptanz der Anderen als gleich und frei. Den Anderen frei zu akzeptieren. Somit geht es um gegenseitiges Vertrauen. Und die Demokratie lebt davon, dass sich Menschen für sie einsetzen!“ Prof. Dr. Franzmann kommt zu dem Schluss, dass sich die aktuelle Politikverdrossenheit aus einer großen Unsicherheit über die individuellen zukünftigen Perspektiven speise. Wir bräuchten schließlich den Austausch Aller zur Entwicklung von Zukunftsperspektiven. Auf dem Weg benötigten wir Entscheidungen, die auch für die überstimmte Mehrheit noch akzeptabel ist. Dabei müssten unbedingt die Spielregeln des freien Meinungsaustauschs eingehalten werden.
Mit dem Aktionstag Demokratie setzte das Deutsche Theater ein wichtiges Zeichen. Mit einem vielfältigen Programm demonstrierte das DT, dass wir alle Teil unserer Demokratie sind und diese immer wieder verteidigen müssen! Dabei kamen Wissenswertes, Spielerisches und ernste Themen gewiss nicht zu kurz.