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Händel-Festspiele

Wo die Macht den Vorrang hat, da fehlt die Liebe

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»Giulio Cesare in Egitto« – Festspieloper in der Inszenierung und unter der Leitung von George Petrou
von Jens Wortmann, erschienen am 16. Mai 2022
Sophie Junker als Cleopatra in »Giulio Cesare in Egitto« | © Photo: Stefan Kimmel

Mit einem opulenten Bühnenbild und Weltklasse-Musiker:innen starteten die Internationalen Händel-Festspiele Göttingen in die Opernproduktion Giulio Cesare in Egitto

Die Regie hatte der neue künstlerische Leiter der Festspiele George Petrou übernommen. Er verlegte die Handlung der Oper an den Anfang des 20. Jahrhunderts. Es war die Zeit der archäologischen Funde in Ägypten, insbesondere der Entdeckung des Grabes von König Tutanchamun.

Julius Caesar taucht quasi als Archäologe in das gewaltige Bühnenbild von Paris Mexis ein. Eine riesige Statue des Gottes Anubis dominiert die Bühne, die an einen Palast in Ägypten erinnert. Aus geheimen Türen und Sarkophagen tauchen die Akteure fast wie die Geister der Vergangenheit auf. Petrou sagt selbst über seine Inszenierung: „In unserer Inszenierung verschmelzen ganz bewusst Altes und Neues (wie es auch mit Sicherheit bei der Uraufführung von Händel der Fall war).“

Die 20er Jahre waren aber auch die Zeit der Wiederentdeckung dieser Oper in Göttingen durch Oskar Hagen. Durch die Renaissance der Händel-Opern entstand der Siegeszug dieser Werke um die ganze Welt. Vor genau 100 Jahren feierte Giulio Cesare seine Premiere in Göttingen.

In diesem Ambiente der 20er Jahre als Rahmen entfaltet sich nun die komplette Handlung. Und in der ist gewaltig viel los: zwei Sterbeszenen, mehrere Mordanschläge, ein abgeschlagener Kopf, diverse verhinderte Selbstmordversuche, eine Zauberszene, eine Feldschlacht und ein tödliches Duell. Vor allem im ersten Akt sprüht die Inszenierung vor Ideen, entsprechend gab es schon vor der ersten Pause die ersten Bravorufe. 

Die galten vor allem der Szene, die eigentlich bereits zum zweiten Akt gehört und häufig gestrichen wird: Nireno wartet darin auf Cesare, um ihn zu Cleopatra zu führen. Seine Arie „Chi perde un momento“ wird in einen Nachtclub verlegt. Die Musik wird leicht modifiziert, ja modernisiert und erhält deutliche Jazzklänge. Zum Einsatz kommt auch ein Jazz-Klavier, das extra aus diesem Anlass für die historische Stimmung des Barockorchesters umgestimmt wurde. Nirenos Arie endete in einem Bauchtanz. Das Ganze passt in das Konzept der 20er Jahre und ist sehr unterhaltsam, aber nicht wirklich schlüssig. Es gab lautstarken Beifall, in der zweiten Aufführung aber auch Buh-Rufe. Bei der Premiere ist der Regieassistent Alexander de Jong, der diese Nachtclub-Szene choreographiert hatte und entsprechend vertraut damit war, als Darsteller für Rafał Tomkiewicz eingesprungen. Gesungen hatte die Arie Nicholas Tamagna aus der Loge. In der zweiten Aufführung konnte Tomkiewicz seine persönliche Premiere feiern, sein positiver Corona-Test erwies sich als Fehlalarm.

Andere gute und auch humorvolle Einfälle waren schlüssiger. Zum Beispiel die Platzierung einiger Orchestermusiker:innen auf die Bühne für die Szene aus dem zweiten Akt, in der Cleopatra Caesar umgarnt. In der Arie „Se in fiorito ameno prato“ tritt Caesar liebestrunken in einen Dialog mit einer Violine, was auf der Bühne sehr humorvoll und vom Violinisten Milos Valent gekonnt umgesetzt wird. Die beiden improvisieren entsprechend der barocken Praxis in diesem Part, so dass in jeder Vorstellung andere Variationen erklingen.

Ganz stark und durchaus ernst ist die Szene, in der Cleopatra gefangen ist. Während der großen Klagearie, in der Sophie Junker in ihrem Rollendebüt zur Höchstform aufläuft, rücken die Seitenwände ihres Gefängnisses immer weiter und sehr bedrohlich zusammen und drohen, zur Grabkammer zu werden. Eine sehr gelungene, hochdramatische Szene!

Am Ende steigen Caesar und Cleopatra in ein rotes Flugzeug, das stark an den „Roten Baron“ von Manfred von Richthofen erinnert. Das Flugzeug hebt ab – und während der Jubel des Schlusschores erklingt, stürzt das Flugzeug hörbar ab. Tolomeo, Cleopatras Bruder und Caesars Widersacher, taucht vor der Bühne auf, gemeinsam mit Achilla und Nireno lacht er sich ins Fäustchen. „Wo die Liebe herrscht, da gibt es keinen Machtwillen, und wo die Macht den Vorrang hat, da fehlt die Liebe. Das eine ist der Schatten des andern.“ Dieses Zitat von C.G. Jung wurde während der Ouvertüre der Oper eingeblendet. Nun aber hat offenbar die Macht über die Liebe gesiegt.

Die Oper ist von Georg Friedrich Händel besonders reich orchestriert. Vier Hörner (für den Jubelchor der Ägypter, der zu Beginn aus der Loge sang), Traversflöte, Blockflöte, Oboen, Fagott und Solovioline ergänzten die Streicher- und Continuogruppen. Zusammen bildeten sie das FestspielOrchester Göttingen, das 2006 vom damaligen Künstlerischen Leiter der Festspiele, Nicholas McGegan, gegründet wurde. Das „FOG“, wie das Orchester gerne genannt wird, ist längst eines der herausragendsten Barockorchester unserer Zeit. Es wurde erneut seinem hervorragenden Ruf gerecht. Die zum Teil überaus rasanten Tempi ihres neuen musikalischen Leiters machten ihnen genauso wenig zu schaffen wie den Sänger:innen auf der Bühne.

George Petrou leitet die Musiker:innen mit großen Gesten und begleitet die Emotionen, die Händel in die Musik gelegt hat. Zu hören ist entsprechend ein anderer Klang als in den Jahren zuvor. Forsch, emotional, virtuos – und das auf höchstem Niveau.

Dieses Niveau kann auch den Gesangssolist:innen attestiert werden. Der ukrainische Countertenor Yuriy Mynenko zeigte genauso wie die belgische Sopranistin Sophie Junker ein unglaublich großes Spektrum an Klangfarben für die Partien des Caesar und der Cleopatra. Nicholas Tamagna überzeugte mit seinem Countertenor als Tolomeo, der es auf Cornelia alias Francesca Ascioti abgesehen hat. Diese begeisterte mit ihrer warmen und tiefen Altstimme genauso wie der helle Sopran von Katie Coventry als Sesto. Riccardo Novaro als Achilla und Artur Janda als Curio ergänzten die Solistenriege perfekt.

Erwähnt werden sollten auch die Bühnentechniker: wie diese während der Arien punktgenau die enorm großen Bühnenteile auf der kleinen Bühne des Deutschen Theaters zu neuen Bildern formierten, war beachtlich. Das gilt im Übrigen auch für die zehn Statisten, die in vielerlei Rollen fast ständig auf der Bühne zu sehen waren.

George Petrou ist es in seiner Inszenierung und in der musikalischen Umsetzung gelungen, die große Bandbreite menschlicher Gefühle auf die Bühne beziehungsweise in den Orchestergraben zu bringen. 

Damit ist der Einstand der neuen künstlerischen Festspielleitung mehr als gelungen. Das Publikum ist vollkommen begeistert, auch nach der zweiten Aufführung gab es lang anhaltende Standing Ovations und zahlreiche „Bravi“.

Für die noch ausstehenden Vorstellungen am 16. Mai (15 Uhr), 18. Mai (19 Uhr), 21. Mai (19 Uhr) und 22. Mai (17 Uhr) jeweils im Deutschen Theater Göttingen sind noch Karten verfügbar. Es gibt also noch die Gelegenheit, diese überaus bemerkenswerte und trotz der vier Stunden Dauer ausgesprochen kurzweiligen Operninszenierung zu erleben. George Petrou sagte: „Wir können Publikum nur gewinnen, indem wir eine Topqualität abliefern“. Und genau das ist definitiv erfolgt.

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Jens Wortmann

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