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Orgeln in Göttingen - Prolog 1

Orgelstadt Göttingen

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Mit einem Ausflug nach Schmalkalden, Westerhusen und Marienstein
von Arne zur Nieden, erschienen am 21. Mai 2020

Wussten Sie, dass Göttingen eine Orgelstadt ist? Wenn Sie sich noch nicht intensiver mit diesem Instrument auseinandergesetzt haben und dazu auch den Kirchen nicht so nahestehen, wird Ihnen dies vielleicht nicht aufgefallen sein. Dies möchte ich in dieser Beitragsreihe auf der Seite des Kulturbüros ab sofort ändern.

Damit Sie einschätzen können, wer hier mit Ihnen seine Begeisterung teilen möchte: Mein Name ist Arne zur Nieden und ich bin leidenschaftlicher, nebenberuflicher Organist. Seitdem meine Mutter mich einmal in meinem Heimatort nach dem Gottesdienst auf ihrem Arm mit zu meinem Großonkel an die Orgel geschleppt hat, wo mir dieser dann „Alle meine Entchen“ vorspielte, fasziniert mich das Instrument. Nun bin ich seit inzwischen 14 Jahren Organist in St. Martin in Geismar und seit einigen Jahren dazu noch in der Stephanuskirche. Und da Organisten, die einmal gesagt haben, dass sie bereit sind, auch in anderen Kirchen zu spielen, auf einer Liste landen und viele Anrufe bekommen, bin ich auch in Göttingen schon etwas rumgekommen.

Wenn Sie sich Orgeln anschauen und vergleichen, werden Sie feststellen, dass jedes Instrument anders aussieht, genauso wie jeder Kirchenraum anders ist, in dem es steht. Das macht die Vielzahl der Orgeln so unterschiedlich, dass es sich lohnt, jede einzelne genauer anzusehen und auszuprobieren. Und da möchte ich Sie in den nun unregelmäßig hier erscheinenden Beiträgen gerne mitnehmen.

Ich habe zu Beginn den Begriff „Orgelstadt“ benutzt. Wie würde man den eigentlich definieren? Nun, mir fallen als Beispiele da zuerst Hamburg und Lübeck ein. Beide haben große Orgelkomponisten hervorgebracht, in beiden stehen in großen Kirchen einige große und historisch bedeutende Instrumente. Gleiches könnte man z.B. auch von Amsterdam und Paris sagen, aber Göttingen? Tatsächlich schweigt sich die Musikgeschichte über Göttinger Orgelkomponisten aus, und die Instrumente in unseren Kirchen sind nicht so berühmt, wie die einer Jacobikirche in Hamburg oder St. Sulpice in Paris. Aber Göttingen hat, wie kaum eine andere Stadt, etwas anderes zu bieten: Orgelbaugeschichte.

Jede Orgel hat einen Erbauer. Und da diese individuellen Instrumente nicht „von der Stange“ kommen können, ist jede Orgel auch ein ganz eigenes Kunstwerk und es trägt die oft unverwechselbare Handschrift seines Erbauers. Ebenso ist die Orgel wie kaum ein anderes Instrument vom jeweiligen Zeitgeschmack beeinflusst. Auch wird, aufgrund der Größe und der technischen Komplexität, bei Orgeln gern die jeweils aktuelle Technik eingesetzt, was man so bei anderen Musikinstrumenten selten findet. Und all das, die verschiedenen Erbauer, die verschiedenen Baustile und die technische Entwicklung, lässt sich in Göttingen auf engem Raum beobachten.

Beginnen wir also einen kurzen Rundgang durch die Göttinger Orgelbaugeschichte. Dazu verlassen wir die Stadt aber zuerst einmal und reisen in den Thüringer Wald, genauer gesagt nach Schmalkalden. Dort thront auf dem Berg über der Stadt das Schloss Wilhelmsburg, Ende des 16. Jahrhunderts von den Landgrafen von Hessen erbaut. In der weitgehend original erhaltenen Renaissanceanlage befindet sich auch die Schlosskapelle, die mit ihren Emporen und Rundbögen ganz typisch für ihre Zeit ist. In lutherischer Anordnung über Altar und Kanzel steht eine kleine Orgel, eingeweiht zusammen mit dem Schloss am 23. Mai 1590. Sie ist in großen Teilen erhalten und damit eine er ältesten spielbaren Orgeln in Deutschland. Erbaut wurde sie vom Orgelbauer Daniel Meyer aus Göttingen. Das Instrument, das ausschließlich Holzpfeifen besitzt, hat einen weichen, sehr transparenten Klang, in dem jede Stimme der Musik klar hörbar bleibt.

Wir verlassen den Thüringer Wald und machen uns auf die weite Reise nach Ostfriesland. Hier steht in Westerhusen bei Emden eine 1643 fertiggestellte Orgel von Jost Sieburg. Schon ihre Schauseite, der sogenannte „Prospekt“, beeindruckt durch die ausladenden Flügeltüren, mit denen er verschlossen werden konnte. Der Klang unterscheidet sich deutlich von der Schmalkaldender Orgel: Der kräftige, fast rustikale Gesamtklang ist auf die in dieser Zeit neu aufkommende Praxis der Begleitung der Gemeindelieder abgestimmt. Jost Sieburg stammte, Sie werden es vermutet haben, aus Göttingen.

Wir machen uns auf die Heimfahrt und verlassen kurz vor Göttingen, in Nörten-Hardenberg die A7. Dort gehen wir in die mit ihrem Zwiebelturm gut sichtbare Kirche des ehemaligen Klosters Marienstein. An der Westseite des breiten barocken, aber sehr schlichten Raumes steht die große Orgel, 1732 von Johann Wilhelm Gloger erbaut. Der Prachtvolle barocke Prospekt beherbergt eine zweimanualige Orgel, also ein Instrument mit zwei Klaviaturen, die im Prinzip zwei separate Instrumente anspielen. Sie besitzt, neben dem Gehäuse, noch viele originale alte Pfeifen und andere Teile, alles andere wurde nach historischen Vorbildern rekonstruiert. Damit ist sie die einzige weitgehend erhaltene Barockorgel im sogenannten norddeutschen Stil in Südniedersachsen. Johann Wilhelm Gloger übernahm 1732 nach dessen Tod die Northeimer Orgelbauwerkstatt seines Vaters und zog mit ihr 1742 nach Göttingen. Dort wurde er zusätzlich Organist an St. Jacobi. In den Jahren 1750-53 baute er dann schließlich die Orgel in der Petrikirche in Grone, von der immerhin das barocke Gehäuse erhalten ist – ich werde sicherlich irgendwann nochmal auf diese Orgel zurückkommen.

Nun sind wir zurück in Göttingen und ruhen uns erst einmal bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts aus. Denn dann beginnen Traditionslinien und Entwicklungen im Göttinger Orgelbau, die die ganze Orgelgeschichte im 20. Jahrhundert entscheidend prägen. Dazu aber mehr im nächsten Teil dieser Reihe!

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Literaturtipps: 

  • Karl Heinz Bielefeld: Orgeln und Orgelbauer in Göttingen, Pape Verlag, Berlin 2007
  • Karl Heinz Bielefeld: Orgeln im Umland von Göttingen, Pape Verlag, Berlin 2018

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