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Theater Nordhausen

Wieviel Platz braucht große Oper?

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Premiere »Die Perlenfischer« von Georges Bizet in Sondershausen
von Jens Wortmann, erschienen am 30. April 2023
Thomas Kohl, der Opernchor des Theaters Nordhausen, Dirigent Michael Helmrath in »Die Perlenfischer« | © Photo: Theater Nordhausen

Göttingerinnen und Göttinger, die große Oper sehen und hören möchten, fahren vielfach nach Hannover oder Kassel, vielleicht auch nach Hamburg oder Berlin. Das Theater Nordhausen gehört vielleicht nicht zu den großen Häusern; erst recht nicht die Ausweichspielstätte während der Umbauzeit des Theaters, das »Haus der Kunst« in Sondershausen. Dass sich ein Ausflug in die Musikstadt Sondershausen aber auf jeden Fall lohnt, wird mit der Aufführung von George Bizets »Die Perlenfischer« bewiesen. Jens Wortmann hat die Premiere besucht.

Aktuelle Inszenierungen der »Perlenfischer« wie in der Staatsoper Berlin oder im Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen setzen auf große Bilder: Wim Wenders verwandelt die Bühne der Staatsoper in einen großen Sandkasten, Manuel Schmitt in Gelsenkirchen setzt auf aktuelle Bezüge der Umweltzerstörung. Und in Sondershausen? Da ist kein Platz für große Bilder – und trotzdem ist Marian Kalus mit seinem Regiekonzept genau das gelungen. Große Oper und große Bilder. Und das, obwohl die kleine Bühne im »Haus der Kunst« fast vollständig vom Loh-Orchester in Anspruch genommen wird. Für eine szenische Aufführung ist überhaupt kein Platz. So nehmen Leila, Nadir, Zurga und Nourabad auf Stühlen vorne am Bühnenrand Platz. 

Kalus greift den zur Entstehungszeit populären „Exotismus“ auf. Dabei transformiert er die Handlung aber nicht auf neue Ebenen, sondern setzt starke Bezüge zum historischen Ort, zur Natur und den Bewohner:innen. Noch vor der Ouvertüre ist Meeresrauschen zu hören. Später erklingen Vögel, Zikaden und andere Naturgeräusche. Die ersten Töne, die erklingen, stammen von einer Ud. Diese Arabische Laute hat eine vielfältige und farbenreiche Audruckspalette. Damit passt sie nicht nur in die Klangwelt der Naturgeräusche, sondern auch zur Instrumentation Bizets. Der syrische Ud-Spieler Wassim Mukdad sitzt wie Kalus auch ebenfalls vor dem Orchester am Bühnenrand. Mukdad greift in seinem Spiel zahlreiche musikalische Motive aus der Oper auf und ist damit viel mehr als eine Untermalung des gesprochenen Textes. 

Dieser Erzähler Marian Kalus schlägt nicht nur die Brücke zwischen den gespielten und gesungenen Passagen der Oper. In seinen Erzähltexten lässt Kalus die handelnden Figuren innere Monologe abhalten, die tief in die Seele blicken lassen.

Dieser Ansatz macht aus der deutlich gekürzten Fassung der Oper eine in sich absolut stimmige Fassung. Und statt einer großen Bühne für die Kulisse werden die Figuren reduziert auf die eigentliche Handlung der Oper, nämlich die Liebesgeschichte, deren Dreiecksbeziehung letztlich in einer Katastrophe endet.

Dieses Konzept ist eine Grundlage für die große Oper, die im Haus der Kunst in Sondershausen zu erleben ist. Die zweite Grundlage sind die Sängerinnen und Sänger. Und das Gesangsquartett des Theaters Nordhausen kann voll und ganz überzeugen: dass die Tempelpriesterin Leila gleich zwei Männer in ihren Bann zieht, ist nachvollziehbar, wenn diese Rolle von einer jungen Frau wie der israelischen Sopranistin Yuval Oren gesungen wird. Mit Bezauberung, Unschuld und Traurigkeit interpretiert sie „ihre“ Leila. 

Der Bariton Philipp Franke als Perlenfischer Zurga und der Tenor Kyounghan Seo als dessen Freund Nadir begeistern das Publikum schon früh am Abend. Denn das berühmte Duett „Au fond du temple saint“, das in keinem Wunschkonzert fehlt, ist bereits im 1. Akt zu hören. Der Applaus im Saal wollte kaum enden! Seo überzeugt mit seiner gefühlvollen Stimme, mal kraftvoll, mal zart im Piano. Und Franke gibt dem Zurga mit kraftvoller Stimme passendes Gewicht, ohne die Emotionalität vermissen zu lassen. Thomas Kohl als der Gemeindeälteste Nourabad ergänzt das Gesangsquartett.

Eine besondere Rolle übernimmt der Chor in Bizets Perlenfischer. Wie ein antiker Chor kommentieren die Sängerinnen und Sänger die Szenen, treten aber auch selbst als Perlenfischer auf. Wie die 19 Mitglieder des Opernchores diese große Chorpartie umsetzen, ist beachtens- und hörenswert.

Eine besondere Erwähnung muss die Lichtregie bekommen, die quasi das Bühnenbild ersetzt: Immer wieder wird die Bühne in neue Farben getaucht und die singenden Akteure ins rechte Licht gerückt. Auch das trägt sehr zur Kurzweil des Abends bei.

Das Loh-Orchester Sondershausen unter der Leitung von Michael Helmrath war ein solider Begleiter der Sängerinnen und Sänger. Hie und da hätte man sich vielleicht etwas mehr Beweglichkeit und auch Präzision gewünscht. Am Ende bekam das Orchester aber vollkommen zu Recht genauso frenetischen Applaus und Bravo-Rufe wie die anderen Akteure.

Die großartige, melodienreiche Musik von Georges Bizet hat Ohrwurm-Qualität. Die Fülle der Melodien reicht definitiv aus, während der Rückfahrt nach Göttingen gesummt zu werden.

Ein großer Opernabend im kleinen »Haus der Kunst« - eine Reise dorthin sei hiermit ausgesprochen empfohlen. Nach der Premiere am 28. April 2023 steht die Oper am 14. Mai um 14.30 Uhr sowie am 20. und 26. Mai jeweils um 19.30 Uhr auf dem Spielplan.

Weitere Informationen gibt es auf www.theater-nordhausen.de

Jens Wortmann

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