„Frauen sind doch keine Menschen – nur Männer sind Menschen. So wie Papa und ich.“ Wenn der eigene Sohn so etwas sagt, ist die Verwirrung groß. Woher kommt so ein Satz? Und vor allem: Wie überzeugt man ihn vom Gegenteil? Anlass genug für Christl Sittenauer, genau diese Aussage zum Ausgangspunkt ihres Kabarettprogramms zu machen. Mit dem Titel »Frauen sind keine Menschen« war sie am 12. Juli im Alten Rathaus in Göttingen zu Gast.
Göttingen und Fahrräder - eine direkte Verbindung
Einen schnellen Draht findet die Kabarettistin, Mathematikerin, Dozentin, Architektin, Schauspielerin und Sängerin mit dem Göttinger Publikum über das Thema Fahrräder. Denn nicht nur ihr wurden in München schon mehrfach Fahrräder gestohlen, das Problem ist auch in Göttingen, als Hochburg für Fahrraddiebstahl, allgegenwärtig und sorgt sofort für Lacher im Saal. Über den Unterschied zwischen Damen- und Herrenrädern spannt sie dann gekonnt den Bogen zum eigentlichen Thema des Abends.
Ungleichheiten charmant entlarvt
Das Programm ist eine Reise durch alltägliche Absurditäten und strukturelle Ungleichheiten, die von Sittenauer mit feinem Humor, einer ordentlichen Portion Selbstironie und einem charmanten bayerischen Dialekt auf die Bühne gebracht werden. Dabei bleibt sie nah an der Lebensrealität vieler Frauen, etwa wenn sie sich fragt, warum am Weltfrauentag eigentlich Blumen verschenkt werden, wenn es doch viel mehr um eine politische Botschaft geht. Und warum ist ausgerechnet an diesem Tag der meistgegoogelte Satz: „Wann ist Weltmännertag?“ Dabei stellt sie diese Fragen mit Witz und Scharfsinn, ohne belehrend zu wirken, entlarvt aber dennoch, das trügerische Gefühl, man sei mit der Gleichberechtigung schon weit gekommen. Blickt man auf die Entwicklung der vergangenen Jahrhunderte, bewegen wir uns eher mit 8 km/h, warum also nicht mal mit 300 km/h?
Von „Ladysalat“ bis zum Wohnungsschlüssel – wenn Humor zur Schutzrüstung wird
Ihr persönlicher Ausgangspunkt, der Satz ihres Sohnes, wird zum roten Faden des Abends -thematisch vielseitig, aber nie überfrachtet. Sittenauer springt gekonnt vom Gendern und Elternzeit zu Handtaschen und der Frage, warum ein Salat mit Putenstreifen als „Ladysalat“ bezeichnet wird. Neben viel Heiterkeit spart Sittenauer auch ernste Alltagssituationen nicht aus. Etwa wenn Frauen im Dunkeln mit dem Wohnungsschlüssel in der Hand ihr Auto suchen. Bereit potenziellen Gefahren zu trotzen. Der Humor dient dabei als Schutzschild. Nicht um die Realität zu verdecken, sondern um auf das gesellschaftliche Ungleichgewicht aufmerksam zu machen.
Das Programm überzeugt dabei nicht nur durch Witz und Ausstrahlung, sondern ist zugleich auch wissenschaftlich fundiert. Die studierte Mathematikerin verknüpft persönliche Beobachtungen mit Fakten aus der Sozialforschung und verleiht dadurch dem Abend eine zusätzliche Tiefe, sodass das Publikum nicht nur unterhalten, sondern auch zum Nachdenken angeregt wird.
Musikalisch begleitet wird sie an diesem Abend von Sven Garrecht am Klavier, mit dem sie auch gemeinsam singt. Die provokanten und scherzhaften Lieder runden das Programm ab und setzen weitere pointierte Akzente, die die Besucher:innen zum Lachen bringen und zu großem Applaus bewegen.
300 km/h Richtung Gleichstellung – und das gemeinsam?
Zum Abschluss bringt sie ihre Botschaft klar auf den Punkt: Sie sei gerne eine Frau. Trotz aller Ungleichheiten, alltäglicher Hürden und struktureller Schieflage sei sie stolz darauf, eine Frau sein zu können. Und gerade dieser Stolz soll keine Abgrenzung, kein Angriff auf Männer, sondern eine Einladung sein, gemeinsam hinzuschauen. Sodass schließlich die 300 km/h Richtung Gleichstellung gemeinsam erreicht werden können. Die Frage, ob Frauen nun auch Menschen sind, stellt sich nun (hoffentlich) nicht mehr. Eines ist sicher, sie sind sehr gute Kabarettistinnen.